Institut für Kriminologie

Involvierung in Delinquenz als Opfer und als Täter

Verlaufsmuster, soziale und personale Kontexte der Herausbildung von Viktimisierungserfahrung und delinquenter Aktivität

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt beschäftigt sich mit den Zusammenhängen zwischen dem Legalverhalten von Jugendlichen bzw. Heranwachsenden und dem Grad ihrer Viktimisierungsbelastung. Verschiedene kriminologische Studien zeigen, daß die Täter und die Opfer von Straftaten keineswegs klar voneinander abgegrenzte Personengruppen bilden. So weist ein beträchtlicher Teil der Täter eine z.T. erhebliche Opferbiographie auf. Umgekehrt läßt sich mit Blick auf die Gruppe der Kriminalitätsopfer feststellen, daß dort delinquente Personen viel häufiger vertreten sind, als dies ihrem Anteil im Bevölkerungsquerschnitt oder in einer bestimmten Altersgruppe entspricht. Das weit überzufällig häufige Zusammentreffen von Täter- und Opfererfahrung bei ein und denselben Personen findet sich dabei vor allem bei männlichen Personen im Jugend- und Heranwachsendenalter. Im Rahmen des Forschungsprojekts sollen u.a. die folgenden Fragen aufgegriffen werden:
 

  1. Wie sieht die Kriminalitätsbetroffenheit im Lebensverlauf der Untersuchungspersonen aus? Welche spezifischen Zusammenhänge bestehen zwischen der Häufigkeit, dem Schweregrad und der Deliktart von begangener Delinquenz einerseits und erlittenen Viktimisierungen andererseits? An welchen Hintergrund der sozialen Lebenssituation eines Menschen ist die Herausbildung von Täter-Opfer-Erfahrungen gekoppelt?

  2. Welche Rolle spielen Opfererfahrungen für die Herausbildung und die Fortsetzung delinquenter Handlungsmuster? Gibt es - neben der Kindheit - bestimmte "sensible" Altersstufen in der Lebensentwicklung von Jugendlichen und Heranwachsenden, in denen Viktimisierungserfahrungen einen stärkeren, prägenderen Einfluß auf die Sozialentwicklung und das Legalverhalten haben als in anderen Altersphasen? Unter welchen Bedingungen der Lebenssituation, bei welchen subjektiven Einstellungen, Wahrnehmungen des sozialen Umfelds und bei welchen sozialen Netzwerken eines Individuums trägt die Erfahrung des Opferwerdens gegebenenfalls zu einer (Verstärkung der) delinquenten Orierentierung bei und unter welchen Lebensumständen eher nicht?

  3. Welche Bedeutung hat umgekehrt das Legalverhalten für die Herausbildung einer "Opferkarriere"? Ist die Opferkarriere eher ein Nebenprodukt der Täterkarriere oder aber liegt eine gewisse Dynamik von Lebensumständen und Handlungsmustern vor, bei sich sich das Hineingeraten in Viktimisierungssituationen und die Verübung von Straftaten wechselseitig begünstigen (Prozese des Täter-Opfer-Statuswechsels)?

In methodischer Hinsicht ist das Projekt als Sekundäranalyse angelegt. Dabei wird das Datenmaterial der US-amerikanischen Längsschnittuntersuchung National Youth Survey ausgewertet, wie es über das Inter-university Consortium for Political and Social Research (ICPSR) an der Universiät von Michigan (USA) verfügbar ist.

Erste Auswertungen des Datenmaterials zeigen, daß im Alter zwischen 11 und 16 Jahren eine relativ zeitnahe Verwicklung in Tat- und in Opfersituationen die weitaus häufigste Erfahrung Jugendlicher mit Delinquenz darstellt. Nach den Selbstberichten der Jugendlichen ist dagegen ein deutlich kleinerer Teil entweder nur als Täter oder nur als Opfer betroffen. Weniger als ein Fünftel der Jugendlichen dieser Altersgruppe geben an, weder in der einen noch in der anderen Weise unmittelbar mit Delinquenz in Berührung gekommen zu sein.

Verteilung der Kriminalitätsbetroffenheit nach Art der Erfahrung und nach Alter


Arbeitsgruppe

Hans-Jürgen Kerner

07071-297 2931

hans-juergen.kernerspam prevention@uni-tuebingen.de

Volkhard Schindler

Tilman Köllisch

Norbert Wirth