Institut für die Kulturen des Alten Orients

Das syrisch-deutsche Grabungsprojekt in Tall Mišrife (Qatna), 200 km nördlich von Damaskus, ist Teil eines internationalen Kooperationsprojektes, dessen Ziel es ist, den königlichen Palast von Qatna neu zu untersuchen. Bereits in den 1920er Jahren arbeitete der französische Comte Robert du Mesnil du Buisson in Tall Mišrife und entdeckte den königlichen Palast von Qatna. 1999 wurden die Ausgrabungen als Teil eines syrisch-italienisch-deutschen Kooperationsprojektes von einem Team der Eberhard Karls Universität Tübingen, unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Pfälzner und der örtlichen Grabungsleitung von Heike Dohmann-Pfälzner, wieder aufgenommen. Kooperationspartner vor Ort sind Dr. Michel al-Maqdissi von der Direction Générale des Antiquités et des Musées und Prof. Dr. Daniele Morandi Bonacossi von der Università degli Studi di Udine. Seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges 2011 ruhen die Ausgrabungstätigkeiten, die Auswertungsarbeiten der zuvor im Grabungsbereich der Universität Tübingen freigelegten Befunde und Funde werden jedoch in Deutschland weitergeführt. Generell geht es um die Klärung von Fragen zur Architektur, Chronologie der Bautätigkeiten, Funktion und sozial-ökonomischen Bedeutung des Palastes.

Die Ergebnisse der neu aufgenommenen Ausgrabungen im Königspalast erweitern nicht nur das bereits vorhandene Wissen, sondern stellen auch die Bedeutung des Gebäudes für die Archäologie in bemerkenswerter Weise heraus. Besonders die neu gewonnenen Erkenntnisse zu Bautechniken, zu den architektonischen Eigenschaften und Innovationen, zur Inneneinrichtung der Räume, zu den Inventaren, und nicht zuletzt die überraschende Entdeckung des Archivs des Idadda im Korridor AQ sowie der Königsgruft und einer weiteren elitären Gruft (Gruft VII) unter den Fundamenten des Palastes haben einen wichtigen Beitrag zur Archäologie Vorderasiens geleistet.

Der Palast

Der Königspalaste von Qatna ist ein herausragendes Beispiel der architektonischen Tradition des zweiten Jahrtausends v. Chr. in Vorderasien. Dieses Urteil basiert auf zwei Haupteigenschaften: den räumlichen Dimensionen, sowie der Stabilität und den Ausmaßen der Fundamente. Beispielhaft ist hier die Halle C zu nennen, die mit 36 x 36 m die bisher größte uns bekannte überdachte Halle in der bronzezeitlichen Architektur im gesamten Vorderasien darstellt.

Eine derart aufwendige Architektur kann nur in einer Zeit entstanden sein, in der machtvolle Herrscher die Kontrolle ausübten. In Frage kommen dafür die Herrscher Išḫi-Addu (ca. 1750-1730 v. Chr.) und Amut-pi’el von Qatna (ca. 1720-1700 v. Chr.). In dieser Zeit erreichte Qatna seinen Höhepunkt als überregionale Macht in Syrien und als Rivale von Aleppo (Yamḫad). International spielte Qatna eine ähnlich wichtige Rolle wie Mari oder Assur. Trotz des nachlassenden politischen Einflusses in der Folgezeit bestand die Stadt mit ihrem zentralen Königspalast über Jahrhunderte weiter.

In der Zeit des hethitischen Königs Šuppiluliuma I. um 1340 v. Chr. wurde der Palast schließlich gewaltsam zerstört. Dies bestätigen die Tontafeln aus dem Archiv des Idadda.

Das Archiv des Idadda

Das Archiv des Idadda, welches 2002 in dem Versturz des Korridors AQ freigelegt wurde, enthält neben Briefen, die einen klaren Bezug zu den Kriegen des Königs Šuppiluliuma I. aufweisen, auch Inventare, Rechtstexte und Verwaltungsurkunden. Diese Tontafeln repräsentieren das zur Zeit der Zerstörung aktuelle Tagesgeschäft des Palastes. Um einen schnellen Zugang zu den Texten zu gewährleisten, wurden diese zumindest zum Teil offenbar in offenen Keramikschalen gelagert.

Die Königsgruft

Eine der größten Überraschungen der syrisch-deutschen Ausgrabungskampagnen war die Entdeckung der Königsgruft 2002.

Die Gruft besteht aus vier Kammern, die in den Felsen tief unter den Fundamenten des Palastes geschlagen wurden. In der Vorkammer zur Gruft, rechts und links des Einganges zur Hauptkammer, wurden zwei Ahnenstatuen aus Basalt freigelegt. In der Gruft selbst befanden sich fast 2000 Funde einschließlich Schmuck aus Gold und Edelsteinen, Gegenständen aus Bronze und Elfenbein, Keramik- und Steingefäßen, Sarkophage sowie menschliche Skelettreste und Tierknochen. Ihre Bedeutung in der Wissenschaft erhält die Königsgruft unter anderem dadurch, dass sie in dem Zustand, in dem sie vor knapp dreieinhalb tausend Jahren durch die Zerstörung des Palastes verschüttet wurde, aufgefunden wurde. Die verschiedenen Objekte bezeugen den weitreichenden Handel und Austausch von Rohmaterialien, künstlerischen Ideen und Techniken sowie Fertigprodukten im spätbronzezeitlichen Vorderasien und östlichen Mittelmeerraum.

Der Brunnen des Palastes

Eines der ungewöhnlichsten Merkmale des Palastes von Qatna ist der Brunnen (Raum U) im nordwestlichen Teil des Gebäudes. Dieser war offenbar die einzige interne Wasserversorgung für den gesamten Palast und spielt als solche eine zentrale Rolle in dessen Funktionsfähigkeit. Der Brunnen wurde außergewöhnlich groß und mit einem herausragenden architektonischen Design angelegt. Der Brunnenschacht wurde nahezu in quadratischer Form mit 9 m Kantenlänge aus dem Felsen geschlagen. Eine Basalttreppe führt an den Innenwänden entlang zum Boden des Brunnens.

Die Ablagerung innerhalb des Schachtes besteht vor allem aus dem Versturz von der Zerstörung des Palastes. Dieser enthielt eine Vielzahl höchst interessanter Objekte, unter anderem zahlreiche Fragmente von Wandmalereien, die in der Tradition ägäischer Freskomalerei stehen und aus einem über dem Brunnen liegenden Raum stammen.
In den unteren Lagen des Versturzes wurden die hölzernen Überreste von – zu großen Teilen gut erhaltenen – Holzbalken freigelegt. Diese stammen vermutlich von der Decke über dem Brunnen und von zu postulierenden Konstruktionen, die dazu dienen sollten, Wasser nach oben zu befördern. Aufgrund der feuchten Umgebung, in der sich die Holzbalken befanden, sind diese bemerkenswert gut erhalten.

Die Hangräume im Westen des Palastes

Im Westen des Palastes lassen sich drei aufeinander liegende Stockwerke rekonstruieren, von denen die beiden unteren größtenteils vollständig erhalten sind. Das mittlere dieser drei Geschosse, das Hanggeschoss, konnte in der Kampagne 2008 freigelegt werden. In diesem Bereich kam ein 15 m langer Korridor zum Vorschein, der offensichtlich durchgängig mit einem Tonnengewölbe überdeckt war. In diesen Räumen wurden mehrere Elefantenknochen entdeckt, bei denen es sich möglicherweise um Jagdtrophäen handelt. Diese wurden vermutlich, nachdem sie ihren symbolischen Wert teilweise verloren hatten, von ihrem ursprünglichen Ausstellungsort entfernt und in einem rituellen Akt in den Hangräumen des Nordwestflügels deponiert.

Die Gruft VII unter dem westlichen Bereich des Palastes

Im Zuge der Untersuchung des Westbereiches des Palastes wurde in der Kampagne 2009 die sogenannte Gruft VII unter einem der Räume (Raum DA) entdeckt. Es handelt sich um eine zweikammerige Gruftanlage, in der in bislang 16 nachgewiesenen Holzkisten die Knochen von über 130 Individuen gemeinsam mit zahlreichen Beigaben gelagert wurden. Unter den über 1000 Funden befanden sich zahlreiche Schmuckobjekte, Steingefäße jeder Form und Größe sowie Elfenbein- und Steinfigurinen.

Restaurierungen und Schutzdächer

Seit 2005 laufen neben den Ausgrabungsarbeiten im Königspalast von Qaṭna, Maßnahmen zur Restaurierung und Konservierung der freigelegten Befunde. Die Restaurierungsarbeiten wurden im Rahmen des Kulturerhalt-Programms vom deutschen Auswärtigen Amt gefördert.

In der ersten Phase bis 2007 wurden die Mauern der Audienzhalle C und der anschließenden Räume D, E, F, G und K restauriert. Im monumentalen Palastbrunnen wurden zunächst die Wendeltreppe aus Basaltstufen erneuert und die Wände verputzt. In der zweiten Phase der Restaurierungen von 2007 bis 2010 wurde der gesamte Brunnenraum mit einer Überdachung aus Polycarbonplatten versehen. Die für eine dritte Phase vorgesehenen Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen im Bereich des Korridors, der Königsgruft und des Nordwestflügels des Palastes konnten aufgrund des syrischen Bürgerkriegs nicht durchgeführt werden.

Eine Bestandsaufnahme durch den syrischen Wächter vor Ort im September 2014 machte die dringende Notwendigkeit von Konservierungsmaßnahmen zum Erhalt des Gebäudes in den noch nicht restaurierten Bereichen deutlich. Die Förderung dieser Arbeiten durch das Auswärtige Amt wurde umgehend zugesichert, so dass die Notsicherungsmaßnahmen im Oktober 2014 von syrischen Mitarbeitern vor Ort ausgeführt und abgeschlossen werden konnten. Der Korridor zur Königsgruft wurde mit einer neuen Plastikplane abgedeckt und die freigelegten Räume im Nordwestflügel mit neuen Wellblechabdeckungen versehen, um die Befunde vor eindringendem Wasser zu schützen.

Interdisziplinäre Studien

Die Entdeckung der Königsgruft war der Startpunkt für breit angelegte interdisziplinäre Studien in Qatna, die bis heute auch im Hinblick auf den Brunnen und die „Gruft VII“ in großem Umfang weitergeführt werden. Dies sind im Einzelnen:

Projektleiter

Prof. Dr. Peter Pfälzner

Projektmitarbeiterinnen

Eva Geith M.A., Dr. Sarah Lange-Weber, Dr. Anne Wissing

Förderer

Deutsche Forschungsgemeinschaft

Förderzeitraum

1999 – 2018

Kooperationspartner

Prof. Dr. Daniele Morandi Bonacossi (Università degli Studi di Udine) <www.qatna.org>

Dr. Michel al-Maqdissi (Direction Générale des Antiquités et des Musées)

Veröffentlichungen (Auswahl)