Zentrum für Islamische Theologie (ZITh)

Zwei Tübinger entdecken Tunesien

Von Mehmet Parmak und Erkan Binici



Das erste Wort, das wir in Tunesien zu hören bekamen, war: „Lâbâs“ . Wir schauten uns mit verblüfften Gesichtern an und mussten kurze Zeit überlegen, ob wir in einem arabischsprachigen Land angekommen waren, denn das Wort „Lâbâs“, das wir im Langenscheidt als „nicht schlecht“ kennengelernt haben, scheint in Tunesien eine Art Universalwort zu sein. Zum Glück hatte Erkan einen Reiseführer bei sich, in dem wir das Wort sogleich nachschlugen. „Lâbâs“ ist tunesischer Dialekt und wird als Frage mit der Bedeutung „Wie geht’s dir?“ und gleichzeitig auch als ihre Antwort „Gut; nicht schlecht“ benutzt. Es findet aber auch Anwendung zum Anhalten von Taxis und vielem mehr. Somit war es auch das erste Wort, welches wir, Mehmet Parmak und Erkan Binici, während unseres Auslandsaufenthaltes in unseren Wortschatz aufnehmen konnten.


Nicht erschrecken! Die Tunesier verstehen und reden auch Hocharabisch. Erfreulich ist die Sprachpluralität der Tunesier. Französisch und Arabisch bilden hier den Standard. Als Ausländer hört man nicht selten die deutsche und englische Sprache. Kein Wunder, denn Tunesien liegt im Norden Afrikas und bildet geographisch wie auch kulturell eine Brücke zwischen Orient und Okzident.
Der Flug von München nach Tunis dauerte nur 2 Stunden und 10 Minuten. Auffällig war, dass die meisten Passagiere keine Tunesier waren. Sobald sich die Flugzeugtüren öffneten, empfing uns eine angenehme Wärme. Und das im Oktober. Bis vor kurzem waren keine Zeichen vom Winter zu spüren. Doch jetzt Mitte Dezember spürt man den Winter in Form von starken Windböen mehr als einem lieb ist.


Ausgestattet mit Adresse und Navigations-App unserer Mobiltelefone kamen wir zur Fakultät des Studiums der islamischen Zivilisationen und betraten zum ersten Mal das Gebäude, welches für die nächsten Monate unser zweites Zuhause werden sollte. Es ist ein kleines Gebäude, welches direkt an eine Moschee anschließt und getreu der traditionellen tunesischen Architektur gebaut wurde. Ein großes blaues Tor lädt uns ein und führt in eine große, unüberdachte Aula.
Dort angekommen versuchte Erkan den Weg zum Klassenzimmer zu erfragen, als Mehmet schon mit einigen nicht-tunesischen Studenten auftauchte. Er hatte bereits einige Studenten aus Gambia, Ghana, Senegal, Mali und Burkina Faso kennengelernt, die zufälligerweise unsere zukünftigen Kommilitonen waren. Sogleich machten wir uns auf den Weg zu unserem Unterrichtsraum und warteten dort einige (tunesische) Minuten auf unsere Lehrkraft.
In der Kennenlern-Runde mussten wir gleich unsere Arabischkenntnisse anwenden. Während sich die Dozentin bei unseren Kommilitonen mit einigen kurzen Sätzen zufrieden gab, mussten wir fast eine Pressekonferenz zum Thema „Leben der Muslime in Europa“ und „Entwicklung der islamischen Theologie an deutschen Universitäten“ geben. Die Neugier und Aufmerksamkeit, die uns entgegengebracht wurden, erleichterten uns den Zugang zur praktischen Anwendung der arabischen Sprache, auch wenn der Akzent dies ab und an erschwerte. Erkan profitierte von der großen Sympathie, die seine indonesischen Kommilitonen für ihn empfanden, und so konnten wir unseren Freundeskreis in Tunesien erneut erweitern.


Regelmäßig begeben wir uns nachmittags alle gemeinsam auf den Weg zur Mensa. Unterwegs finden arabische Gespräche zu interkulturellen Themen statt, wodurch wir neue Wörter lernen. In der Mensa beschränkt sich die „Auswahl“ zwar nur auf ein Tagesmenü, ist aber besonders kostengünstig (Umgerechnet 9 Cent pro Person). Satt wird man alle Mal und eine Nachspeise gibt es immer dazu.
Als Alternative zur Mensa gibt es noch einige typisch tunesische Fastfood-Spezialitäten. Da wären z.B. Chapati, Kaftaji, Schawarma, Makloub, … Das ist Fleisch, bzw. Ei, welches mit zahlreichen Beilagen, Soßen und Gewürzen in Brot serviert wird. Doch zuhause kochen die Tunesier sehr oft auch Couscous. Das ist gedämpfter Grieß mit Beilage und als Brot gibt es oft Baguette. Was aber nie fehlen darf, ist Harissa, eine scharfe Chilipaste, die mit jeder Speise kombiniert wird.
Wenn wir schon über die tunesische Küche reden, darf die Kaffee-Kultur nicht fehlen. Der Tunesier genießt seinen Kaffee, manchmal sogar über Stunden hinweg. Der tunesische Espresso ist sehr stark und intensiv, sodass wir ihn nicht trinken konnten, ohne das Gesicht zu verziehen. Auch die Tunesier sind sich dessen Stärke bewusst und investieren oft ihren ganzen Tag um das Aroma einer Tasse Kaffee vollständig zu genießen. Besonders Taxifahrer führen eine Tasse mit sich und nippen am Kaffee, was bei einem solchen Verkehr zur Entlastung zwingend notwendig ist. Mehmet bevorzugte Minztee, in welchem sich oft Mandeln oder andere Nüsse befinden.


In unserer Freizeit gehen wir oft auf den Markt in der Altstadt, La Madina, welcher zur Zeit der Osmanen ausgebaut wurde bzw. versuchen einen Ausweg aus ihren vielen verzweigten und engen Gassen zu finden. Dabei stoßen wir manchmal auf außergewöhnliche Restaurants, Cafés und Geschäfte und helfen anderen orientierungslosen Touristen den richtigen Weg zu finden. Jetzt nach zwei Monaten finden wir uns schon besser im labyrinthartigen Markt zurecht. Inmitten des Marktes befindet sich die berühmte Zitouna-Moschee, zu Deutsch die Ölbaummoschee. Hier finden regelmäßig Lehrzirkel zu einzelnen Fächern der islamischen Theologie statt, woran wir am Wochenende teilnehmen.


Wenn uns mal der Alltagsstress zu viel wird, machen wir einen kurzen Ausflug zur Küste Tunesiens, insbesondere zum Sidi bou Said. Einen Tee mit Blick auf den Golf von Tunis im Schatten der großen, blauen Sonnenschirme sollte man sich in Tunesien nicht entgehen lassen. Die typisch andalusische Architektur überzeugt dort sehr mit ihren großen, blauen Türen und Fenstern im Kontrast zu ihren strahlendweißen Wänden. Einmal machten wir von dort einen kleinen Spaziergang mit der Absicht ein Taxi zu finden und stießen dabei, wenn auch etwas ungeplant, auf die sehr große Malik-ibn-Anas-Moschee in Karthago mit einer atemberaubenden Aussicht aufs Meer. Schon jetzt hat sich dieser Ausblick als Highlight durchgesetzt und genügt als Grund, um nach Tunesien zu kommen.
Und um nicht ganz trocken zu enden: „bes-slâma!“ („Tschüss!“)