Zentrum für Islamische Theologie (ZITh)

Rückblick: "Sacred Sound-Musikalischer Manifestationen des Sakralen im interreligiösen Dialog" - Veranstaltungen im SoSe 2017

Von Caner Yusuf Keskingöz

Für alle Religionen bildet die musikalische Dimension und insbesondere das Erklingen sakraler Texte einen wesenhaften Bestandteil. Damit geht ebenso regelmäßig eine Sakralisierung des Erklingens einher: Es erscheint als transzendierendes Medium der Kommunikation mit dem Göttlichen. Neben dieser fundamentalen Konstante erscheinen aber insbesondere bei den drei Buchreligionen Christentum, Islam und Judentum auch bezeichnende Unterschiede. Das Projekt möchte den an "Sakrale Klänge" sich knüpfenden Forschungsfragen nachgehen und das Gemeinsame ebenso wie das Trennende explorieren. Es will damit einen Beitrag zum besseren gegenseitigen interreligiösen Verständnis, jenseits vorschneller Postulate von "Gemeinsamkeit" ebenso wie von populistischer "Unvereinbarkeit" leisten und Wege zu einem vertiefenden Diskurs über das Verhältnis der Religion zu Musik und Kunst öffnen.

Seit April 2017 läuft das Projekt "Sacred Sound-Musikalischer Manifestationen des Sakralen im interreligiösen Dialog", als Kooperation zwischen dem Musikwissenschaftlichen Institut und dem Zentrum für Islamische Theologien (Prof. Dr. Lejla Demiri und Mujadad Zaman). Gefördert wird das Projekt durch ein „Exploration Starter Fund“ des Zukunftskonzept der Universität Tübingen.

Im Sommersemester 2017 konnten bereits in drei Veranstaltungen der Frage nach der Bedeutung von Klang und sakralen Texten nachgehen.

The Art of Reciting the Qurān

Dr. Kristina Nelson (Cairo) | Bashar al-Hout (Wuppertal)

Dr. Kristina Nelson (Kairo), Autorin des Buches The Art of Reciting the Qur'an (UT Austin Press 1986 and AUC Press, Cairo 2001), versuchte in ihrem gleichnamigen Vortrag die maßgebliche Rolle aufzuzeigen, die der Klang für die Bedeutung des koranischen Erfahrungsprozesses spielt.

Die religiöse Gelehrsamkeit gibt Maßstäbe für die koranische Rezitation vor und fordert diese ebenso ein. Was melodische Parameter angeht, so werden diese meist nur im Rahmen eines Verbots, einer Sanktion oder einer Einschränkung behandelt. Während die klassischen Quellen bestätigen, dass es sich bei der Rezitation nicht um Musik handelt, weisen sie aber zugleich auf die Bedeutung musikalischer Kunstfertigkeiten hin, da der Klang auf den Hörer eine verstärkende Wirkung haben kann. Viele von uns haben eine Befangenheit im Umgang mit Texten, da wir unsere Informationen eher durch das Lesen als durch das Hören aufnehmen.

Hafiz Bashar al-Hout (Wuppertal) begleitete den Vortrag und gab den Anwesenden Klangbeispiele aus dem Koran. Dabei rezitierte er die Verse [24:26], [24:35-40], [30-31], [41:35-37], [95:1-8] und [21:1-29].

Maqām and Makān: The Sound and Space of Jewish and Islamic Worship

Dr. Merav Rosenfeld-Hadad (Cambridge) | Rabbi David Menahem (Jerusalem)

Dr. Merav Rosenfeld ist Honorardozentin an der Royal Holloway University of London. Zu ihrem Forschungsschwerpunkt zählen alle Bereichen arabischer und nahöstlicher Musik – vorherrschend in jüdischen, muslimischen und christlichen Gesellschaften des Nahen Ostens – und ihre Interaktion mit Identität, Nationalismus und jüdisch-christlich-muslimischen Beziehungen, in ihren weiten historischen, religiösen und kulturellen Kontexten. In ihrem Vortrag „Maqām and Makān: The Sound and Space of Jewish and Islamic Worship”, griff sie die judeo-arabische rabbinische Schule der letzten tausend Jahre auf und zeigte ihre Sicht auf arabische Musik im jüdischen Leben und in jüdischer Andacht. Sie führte den Einfluss der arabischen Musik, der maqām, vor Augen, um damit den judeo-arabischen Raum des Gottesdienstes, den makān zu schaffen. Diese Aspekte wurden dabei im Kontext der islamischen Tradition untersucht. Darüber hinaus deutete dieser Vortrag auf die Essentialität dieses Klangraums für das judeo-arabische Leben und die Identität hin, sowohl bevor als auch nachdem die Juden die arabisch-islamischen Gebiete verließen.

Als erfolgreicher arabisch-jüdischer Rabbi, begabter Kantor und Musiker, führt Rabbi David Menahem das Vermächtnis seiner Familie fort, die sowohl in Bagdad als auch in Israel berühmte Vorsänger hervorbrachte. Auch pflegt Rabbi Menahem einen engen Kontakt zu muslimischen Gelehrten und Musikern Israels. Rabbi David Menahem spielte auf der Oud arabische Volkslieder, die von Juden in die Liturgie aufgenommen und meist für den sakralen Gebrauch mit neuen Texten versehen wurden.

Fragmentum - Musical Fragments of Southwestern German Monasteries

Prof. Dr. Stefan Morent (Tübingen) | Schola Cantorum (Tübingen)

Prof. Dr. Stefan Morent ist Professor am Musikwissenschaftlichen Institut in Tübingen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Musik des Mittelalters, Musiktheorie der Renaissance und in landeskundlichen Themen wie Musik im deutschen Südwesten oder Musik am Stuttgarter Hof vom 16. bis zum 18. Jh. In seinem Vortrag „Fragmentum - Musical Fragments of Southwestern German Monasteries”, präsentierte Prof. Morent verlorengegangene Choralhandschriften, die mit der Einführung der Reformation im 16. Jh. und der Auflösung vieler Klöster in Vergessenheit gerieten. Die über Jahrhunderte mit höchstem künstlerischen Aufwand hergestellten Codices galten nun als Zeugen einer veralteten Liturgie. Die „papistischen Bücher“, wie man sie jetzt nannte, hatten nur noch materiellen Wert. Das wertvolle Pergament, auf dem die Gesänge notiert waren, konnte als stabiles Einbandmaterial für Akten recycelt werden. So wurden tausende von Choralhandschriften zerschnitten und dienten fortan als ein „Kleid von Noten“ für Buchdeckel und zur Verstärkung von Buchrücken. Jahrhunderte lagerten sie so als Fragmente in verstaubten Archiven.

Die Schola Cantorum trug unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Morent Fragmente aus den Klöstern Weingarten, Maulbronn, Alpirsbach Lorch/Melk, Hirsau, Salem und Bebenhausen vor. Jede Seite, jeder zerschnittene Streifen erzählt dabei seine eigene spannende Geschichte und führt zurück in jene Zeit, als von ihnen ihrer Bestimmung gemäß einst die Liturgie in einem Kloster gesungen wurde.

Im Wintersemester 17/18 werden erneut Lecture-Recitals veranstaltet. Nähere Informationen finden Sie hier.

07.12.17: More than a Feeling: Fusionen von Popularität und Frömmigkeit im Islam und Christentum mit Prof. Dr. Monique Scheer (Tübingen) & Meltem Köybasi, M.A. (Tübingen)

18.01.18: Baba mezia 83a: ‚..., alles nach dem Landesbrauch’: Jüdische liturgische Musik in verschiedenen Traditionen; mit Dr. Jasmina Huber (Düsseldorf) & Paul Yuval Adam (Bielefeld)

Veranstaltungsort: Pfleghofsaal Musikwissenschaftliches Institut, Schulberg 2