Uni-Tübingen

Teilprojekt B01: Erdbeben als Bedrohung sozialer Ordnungen. Bedrohungskommunikation in Literatur – Bedrohungskommunikation als Literatur (5. Jh. v. Chr. – 6. Jh. n. Chr.)

Abstract

Schon in der Antike wurden Erdbeben vielfach als Bedrohung der bestehenden politischen und sozialen Ordnungen wahrgenommen. Die Verarbeitung solcher Bedrohungssituationen spiegelt sich insbesondere im literarischen Quellenmaterial wider, das in der Forschung bisher jedoch meist nur punktuell und deskriptiv bearbeitet wurde. Ziel des Projektes ist es deswegen, die literarischen Reflexe antiker Erdbeben chronologisch übergreifend zu erfassen und ihnen gleichzeitig auch besser gerecht zu werden: Einerseits handelt es sich um literarische Produkte, auf die insofern auch mit Hilfe eines literaturwissenschaftlichen Instrumentariums zugegriffen werden sollte; andererseits sind sie jedoch auch historische Quellen, die es im Rahmen des nichtliterarischen Materials sowie interkultureller Vergleiche zu kontextualisieren und auszuwerten gilt. Dieser doppelten Notwendigkeit wird in einer philologischen und einer historischen Teiluntersuchung begegnet, deren Entstehung in enger Zusammenarbeit erfolgt und die intensiv von den Ergebnissen des jeweils anderen Teils profitieren kann.

Projektteam

Projektleitung:
Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert
Prof. Dr. Mischa Meier

Mitarbeiter/innen:

Jonas Borsch, M. A.
Dr. Laura Carrara

Hilfskräfte:

Simona Muß
Janis Pasquale Tortora

Fachgebiete und Arbeitsrichtung

Griechische Philologie / Alte Geschichte

Projektbeschreibung

Die hohe Erdbebenfrequenz in der Antike ist durch literarische und archäologische Zeugnisse vielfältig belegt. Besonders herausragende seismische Großereignisse waren z. B. der Untergang der Stadt Helike 373 v. Chr., das Kampanien-Beben 62 n. Chr. oder die sogenannte „kosmische Katastrophe“ von 365 n. Chr. Solche verheerenden Erdbeben führten zu existenziellen Bedrohungssituationen, in denen sich sogar die etablierten religiösen, politischen und sozialen Ordnungen aufzulösen drohten.

Das Projekt B01 hat zum Ziel, an Erdbeben, als gut dokumentierten Beispielen katastrophaler Ereignisse, neue, dem spezifischen Charakter der antiken Überlieferung entsprechende Methoden für einen adäquaten Zugriff auf die Zeugnisse zur Kommunikation in Phasen der bedrohten Ordnung zu erarbeiten und exemplarisch anzuwenden. Die Umsetzung dieses Vorhabens erfolgt in zwei eng miteinander verzahnten Einzelstudien, die jeweils einen philologisch-literaturwissenschaftlichen und einen historischen Schwerpunkt aufweisen.

Angesichts der Tatsache, dass die Bedrohungskommunikation über antike Erdbeben sich fast ausschließlich in literarischen Texten vollzieht, d.h. in Form künstlich geprägter Diskurse, in denen Gegenstände, Sachfragen und Inhalte sehr häufig stilisiert sind, ist es Aufgabe der ersten philologischen Teiluntersuchung, die antiken Zeugnisse über Erdbeben nach ihrer spezifischen Eigenart zu analysieren und sie mit Blick auf die literarische (Re)-Präsentation des historischen Gehalts von Erdbeben zu evaluieren. Grundlegend ist dabei die Beurteilung antiker literarischer Erdbebenberichte nach ihrer Genrezugehörigkeit sowie der damit verbundenen primären Funktionalisierung im jeweiligen situativen Kontext von Autoren und Werken, die i.d.R. vielfältige Intentionen verfolgen, zu denen sachliche Information nicht, oder zumindest nicht in erster Linie, gehört.

In der historischen Teiluntersuchung soll es mithilfe der Methoden der kulturwissenschaftlich geprägten historischen Katastrophenforschung um die Rekonstruierbarkeit von Ereignissen und insbesondere ihre kommunikativ vermittelten Folgen gehen. Die antike Literatur muss dabei – unter Rückgriff auf die Ergebnisse der ersten Teiluntersuchung – an konkrete Kontexte rückgebunden und gleichzeitig – dazu nur scheinbar im Widerspruch stehend – in einen überzeitlichen Diskurs eingeschrieben werden. Gleichzeitig wird die Untersuchung auch das nichtliterarische Material sowie Vergleichsfälle aus nachantiken Gesellschaften heranziehen, um zu einer theoretischen Fundierung des Zugriffs auf Katastrophen beizutragen.

Ausgehend von diesen Fragen sollen die beiden Teiluntersuchungen mit ihrem jeweils spezifischen Instrumentarium zu dem gemeinschaftlichen Ziel beitragen, antike literarische Zeugnisse zu Erdbebenkatastrophen in doppelter Hinsicht ernst zu nehmen: Als literarische Produkte und als Informationsquellen zu Situationen akut bedrohter sozialer Ordnungen.

Projektbezogene Vorträge und Publikationen

Borsch, Jonas

Carrara, Laura

Männlein-Robert, Irmgard

Meier, Mischa

Tagungen, Workshops, Konferenzen

Projektrelevante Lehrveranstaltungen

Borsch, Jonas

Carrara, Laura