Uni-Tübingen

Projektbereich E — Diagnose & Praxis

Projektbereich E bearbeitet das Verhältnis zwischen Diagnose und Praxis. Dabei wird einerseits untersucht, wie Bedrohungs­diagnosen schrittweise in Bewältigungs­praxis übersetzt werden können (Operationa­lisierung). Andererseits wird analysiert, wie Erfahrungen, die sich im Prozess der Operationa­lisierung ergeben, auf Diagnosen zurück­wirken. Ziel der Arbeit des Projekt­bereichs E ist es, generalisierbare Muster, Mechanismen, Praxis­logiken sowie Kriterien für eine Typologie bedrohter Ordnungen zu erarbeiten.

Teilprojekte:

E01: Ordo amplissimus. Die Bedrohung der oströmischen Reichselite unter Kaiser Justinian I

Projektleitung: Sebastian Schmidt-Hofner

Im Teilprojekt E01 wird die Beziehung zwischen Bedrohungsdiagnosen und Bewältigungspraxis anhand der oströmischen Reichselite in der Herrschaftszeit Justinians (527–565 n. Chr.) beleuchtet. Ausgehend von der Hypothese, dass die Bedrohung der oströmischen Reichelite eine nicht intendierte Konsequenz kaiserlichen Handelns war, sollen zunächst die Protagonisten/innen, die Reichweite und die Relevanz dieser Bedrohungsdiagnose genauer bestimmt werden. Auf dieser Basis kann nach den Auswirkungen der daran anschließenden Bewältigungspraktiken auf die Hierarchie- und Statusordnung gefragt werden. Besonderes Augenmerk legt das Projekt auf die synchrone Interdependenz zwischen der Statusordnung und dem re-odering der Monarchie unter Justinian.

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E02: Viri absentes. Re-ordering der Geschlechterordnungen im Kontext der römischen Expansion (2./1. Jh. v. Chr.)

Projektleitung: Lisa Eberle, Sebastian Schmidt-Hofner

Teilprojekt E02 analysiert die synchrone Interdependenz zwischen einem kriegsbedingten Mangel von Männern, der im 2. und 1. Jh. v. Chr. im ländlichen Raum des römischen Reichs zu einer Bedrohung der etablierten Ordnung führte, und dem re-ordering der Geschlechterordnung. Dabei gilt das besondere Interesse der Frage, wie sich die Bewältigungspraktiken, die sich zunächst auf die Bedrohungsdiagnose des Fehlens von Männern (u.a. als Familienoberhäupter) beziehen, auf die soziale Position von Frauen auswirkten. 

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E04: Bedrohungskommunikation, Bewältigungspraxis und Finanzmarktspekulation. Wertpapierhaussen, Börsencrashs und Wissenspraktiken (18. – 19. Jh.)

Projektleitung: Renate Dürr, Daniel Menning

Teilprojekt E04 untersucht die Bedrohungsdiagnose des Börsenchrashs in der zweiten Hälfte des 18. und im 19. Jh. sowie die daran anschließende Bewältigungspraxis. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Relevanz von diachronen Interdependenzen gelegt. Konkret soll in diesem Rahmen untersucht werden, wie das bis dahin akkumulierte Wissen über Hyperspekulation und Kursabstürze dazu beitrug, Bedrohungsdiagnosen und Bewältigungspraxis im Kontext von Börsencrashs zu beeinflussen. Das Projekt wendet mithin das Modell Bedrohter Ordnungen an, um ein bessere Verständnis des re-ordering der Finanz- und Wirtschaftsordnung des 18. und 19 Jh. zu erzielen.  

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E06: Bedrohung und Diversität im urbanen Kontext. Ethnisch heterogene und ungleiche Stadtteile im Globalen Süden

Projektleitung: Boris Nieswand

Im Teilprojekt E06 wird der Frage nachgegangen, wie sich über Bedrohungsdiagnosen in ungleichen und ethnisch unterschiedlich heterogenen Stadtteilen synchrone Interdependenzen herstellen und welche Auswirkungen diese auf das re-ordering der Stadtteile und deren Bevölkerungen haben. Besonderes Interesse gilt der Frage, wie spezifische Bedrohungstopoi Bewältigungspraktiken beeinflussen. Diesbezüglich sollen Grenzziehungen und Hierarchisierungen als Modi der Herstellung synchroner Interdependenzen zwischen den Stadteilen und deren Bevölkerungen im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. 

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Projektbereich F — Mobilisierung

Projektbereich F untersucht, welchen Einfluss Mobilisierungs­prozesse auf das Verhältnis von Bedrohungs­diagnose und Bewältigungs­praxis nehmen können. Gegen­stand der Forschung ist die Frage, wie Individuen, Gruppen und Gesell­schaften mobilisiert werden. Im Zentrum steht dabei der Einfluss von Macht und Handlungs­kompetenz auf Mobili­sierungen, die stets als angeleitete Prozesse auftreten.

Teilprojekte:

F01: Transformation durch Bedrohung. Bedrohte Ordnungen und die Entwicklung der spätrömische(n) Monarchie(n)

Projektleitung: Mischa Meier

Teilprojekt F01 soll an einem exemplarischen Untersuchungsgegenstand das Paradigma der Transformation operationalisierbar machen. Geplant ist dafür eine diachrone Analyse der spätrömischen Monarchie(n) im Zeitraum vom 5. bis zum 7. Jahrhundert, die spezifische Phasen der Bedrohung und des re-ordering in den Blick nehmen und damit das analytische Potential des SFB-Ansatzes insbesondere für Fragen nach der Konzeptualisierung von Epochenübergängen fruchtbar machen soll.

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F02: Von karolingischer Ordnung zur „société féodale“? Bedrohte Ordnung und der Wandel der karolingischen Welt

Projektleitung: Annette Grabowsky, Steffen Patzold

Teilprojekt F02 wird nach Vorarbeiten zu den Jahren um 1100 und um 900 seine Analysen der diachronen Abfolge von Umformungsprozessen im Kontext der Transformation der karolingischen Ordnung fortsetzen und nunmehr mit den Jahren um 1000 eine Phase in den Blick nehmen, die seit längerem unter Stichworten wie „mutation“ und „révolution féodale“ diskutiert wird und dramatische Veränderungen der gesamten Ordnung in West- und Mitteleuropa bewirkt haben soll. Mit Hilfe des SFB-Instrumentariums soll diese Phase neu untersucht und für ein innovatives Modell für die Transformation der karolingischen Welt und die Entstehung des lateineuropäischen Mittelalters von ca. 900 bis 1100 perspektiviert werden.

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F03: Handwerker – Bauern – Geistliche. Bedrohungen sozial-moralischer Ordnungen im religiös-literarischen Diskurs (15. – 17. Jahrhundert)

Projektleitung: Andreas Holzem, Klaus Ridder

Teilprojekt F03 untersucht als diachrone Vergleichsstudie an drei exemplarischen, epochenübergreifend angelegten Konstellationen das Verhältnis von religiös geprägter Bedrohungskommunikation und sozialer Ordnung. Gefragt wird nach Zusammenhängen zwischen Bedrohungskommunikation und Vertrauensverlust in religiöse und politische Autoritäten, nach der Relevanz von Bedrohungsszenarien als möglichen Indikatoren für sozialen Wandel sowie nach den kommunikativen Strategien der Mobilisierung durch Bedrohungsszenarien und nach imaginierten Formen des re-ordering.

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F04: Koloniale Ordnung als Bedrohte Ordnung: Die Sangley-Revolten und spanischen Massaker in Manila (1603, 1639, 1662, 1686)

Projektleitung: Renate Dürr, Philipp Hahn

Teilprojekt F04 untersucht am Beispiel der vier Sangley-Revolten auf den Philippinen (1603, 1639, 1662, 1686) in diachroner Perspektive die spanische Kolonialherrschaft im 17. Jahrhundert als Bedrohte Ordnung. Gefragt wird einerseits danach, wie es der spanischen Verwaltung gelang, sehr unterschiedliche Gruppen für ihr Vorgehen gegen die chinesischstämmigen Sangleys zu mobilisieren und wie sich die Kolonialherrschaft in Manila über entsprechende Bedrohungskommunikationen und die darüber etablierten re-ordering-Prozesse veränderte; zum anderen wird zu analysieren sein, welche Rolle angesichts der globalen Dimension der Bedrohungskommunikation Übersetzungsprozesse für die Aufrechterhaltung von Distanzherrschaft spielten.

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F07: Das Ringen um internationale Ordnung – Rüstungskontrolle im System der Vereinten Nationen

Projektleitung: Andreas Hasenclever, Jochen von Bernstorff

Teilprojekt F07 untersucht diplomatische und völkerrechtliche Strategien zur Stabilisierung nationaler Souveränitätsansprüche im System der Vereinten Nationen. Dabei wird u.a. der Frage nachgegangen, ob die Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Akteuren in Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse eher dazu dient, transnationale Forderungen zivilgesellschaftlicher Akteure einzuhegen und sie zu kooptieren, oder ob sie Teil einer Vertiefung von Global Governance und damit der Re-Hierarchisierung politischer Räume ist. Den Fokus legt das Teilprojekt auf das Politikfeld „Sicherheit“ und internationale Rüstungskontrollinitiativen im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen, um anhand dieser Beispiele mögliche Rückschlüsse auf den übergeordneten Ordnungskonflikt zu ziehen.

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F08: Bedrohte Solidaritäten. Mobilisierende Diskurse und Praktiken in der Geflüchtetenhilfe

Projektleitung: Monique Scheer

Teilprojekt F08 untersucht die Diskurse und Praktiken der solidarischen Fürsorge in der Unterstützung für Geflüchtete um das Jahr 2015. Mit der lokalen Ausrichtung auf Tübingen leuchtet das Projekt die vielfältigen und widersprüchlichen Netzwerke und Allianzen dieser Zeit aus. Das Projekt entwickelt über den Fokus auf solidarische Fürsorge einen neuen Erklärungsansatz für den Zusammenhalt und die Form der Mobilisierung der Unterstützung für Geflüchtete vor Ort.

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F09: Die Bedrohte Ordnung der ‚globalisierten‘ Welt. Globalisierungsvorstellungen, politischer Aufbruch und gesellschaftliche Debatte in den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik (1990er und 2000er Jahre)

Projektleitung: Jan Eckel

Teilprojekt F09 thematisiert die Entstehung des Globalisierungsdiskurses während der 1990er und frühen 2000er Jahre und geht dabei in synchroner Perspektive der Frage nach, wie dieser und ihm innewohnende Vorstellungen Bedrohter Ordnungen politische Gegenwartsdeutung und Handeln in den USA, Großbritannien und Deutschland formten. Im Zentrum stehen dabei die von der Clinton-Regierung und der Welthandelsorganisation vorangetriebene und von der ‚Antiglobalisierungsbewegung‘ bekämpfte Ausweitung des Freihandels sowie die Reformen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in Großbritannien und Deutschland.

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Projektbereich G — Reflexion

Projektbereich G untersucht die Wechsel­wirkungen zwischen Reflexionen und Bedrohungs­diagnose sowie Bewältigungs­praxis. Diagnosen und Bewältigungs­praktiken prägen das Selbst­verständnis von Akteuren hinsichtlich ihrer Ordnung. Das Selbst­verständnis und die Selbst­reflexion in verschiedenen Ordnungen wird deswegen unter­sucht, um so verbindende und trennende Elemente sowie Erklärungs­muster, Vorstellungen von Ordnung und reflexive Strategien des re-ordering aufzufinden.

Teilprojekte:

G01: Platonismus und Christentum in der Spätantike: Literarische Strategien der Bedrohungskommunikation bei Porphyrios und Eusebios

Projektleitung: Volker Drecoll, Irmgard Männlein-Robert

Das Teilprojekt G01 untersucht die Ordnungskonkurrenz zwischen Platonismus und Christentum in der Spätantike. Im Mittelpunkt stehen literarische Bewältigungsstrategien. Angesichts der zusehends in breiten Gesellschaftsschichten Fuß fassenden Christen interpretiert der Platoniker Porphyrios traditionelle religiöse Praktiken wie die Opfer- und Orakelpraxis neu. Wenige Jahre nach dessen Tod reagiert der christliche Theologe Eusebios mit einer umfangreichen Apologie des Christentums.

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G02: Geistliche Frauengemeinschaften im 18. Jahrhundert. Ordnungsvorstellungen und Bedrohungskommunikation in Aufklärung und Säkularisation

Projektleitung: Sigrid Hirbodian

Teilprojekt G02 behandelt die sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts steigernde Bedrohungskommunikation in geistlichen Frauengemeinschaften. Sozial wie ordensstrukturell unterschiedliche Frauengruppen werden auf die Umformung älterer Ordnungsvorstellungen, aber auch auf die Aktualisierung älterer Bedrohungskommunikationen hin befragt.

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G03: Eine ‚Genealogie von Hybridität‘. Die Bedrohten Ordnungen der multikulturellen Halbinsel Istrien (1970 – 2013)

Projektleitung: Reinhard Johler

Teilprojekt G03 untersucht die Geschichte des „Hibridismus“, einer zuerst von österreich-ungarischen Forschern um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhunderts am Modellfall Istrien beschriebenen Ordnungskategorie (2. Förderperiode). Rund um den bedrohlichen Zerfall Jugoslawiens ist die regionale Ordnung der multisprachlichen und multikulturellen Halbinsel mehrfach neu und unter Verweis auf ältere Erfahrungen definiert worden. Vom Laboratorium Istrien aus wird in G03 eine Genealogie der Hybridität entwickelt.

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G04: End of Empire. Re-Ordering in Australien, Neuseeland und Kanada (1960 – 1980)

Projektleitung: Ewald Frie

Teilprojekt G04 behandelte in der zweiten Förderperiode die mit dem Ende des British Empire verbundene Neuerfindung der Siedlerkolonien Australien, Neuseeland und Kanada als Nationalstaaten. Es untersucht nun die konfliktreiche Implementierung der re-ordering-Ergebnisse in den späten 1970er Jahren, als Ölschock, Vietnamkrieg und Globalisierungserfahrungen die hoffnungsfrohen nationalstaatlichen Selbstbilder der frühen 1970er Jahre zu dementieren schienen.

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G05: Bedrohung und Stabilität der medizinischen Wissensordnung. Ebola in Westafrika und Bedrohte Ordnungen der Medizin (2013 – 2016)

Projektleitung: Henning Tümmers, Urban Wiesing

Teilprojekt G05 untersucht nach AIDS (1. Förderperiode) und Antibiotikaresistenzen (2. Förderperiode) in der dritten Förderperiode mit der Ebola-Epidemie 2013-2016 eine gegenwartsnähere und im Hinblick auf Bedrohungskommunikation und Zeitverknappung dramatischere Bedrohung der medizinischen Ordnung. Aus der vergleichenden Bedrohungsanalyse werden Bedingungen für Stabilität und Wandel der medizinischen Ordnung im 20. und 21. Jahrhundert entwickelt.

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G06: Vergangene Zukunft Bedrohter Ordnungen. Fiktionale und gelebte Visionen alternativer Rasseordnungen in den USA

Projektleitung: Astrid Franke, Nicole Hirschfelder

Teilprojekt G06 richtet auch in der dritten Förderperiode seine Aufmerksamkeit auf die Rasseordnung in den USA, thematisiert nun aber fiktionale und gelebte Visionen alternativer Ordnungen. Sie reagierten auf die Frustration über die Trägheit der gelebten Ordnung und stabilisierten den Widerstand gegen bestehende Ungerechtigkeit. Gleichzeitig aber spielten sie im Modus der Fiktion Alternativen durch und machten so ein faktisches re-ordering erst möglich.

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Wissenschaftskommunikation (Ö)

Ö: Erfahrungen – Erwartungen – Ergebnisse. ‚Bedrohte Ordnungen‘ zwischen wissenschaftlicher Analyse und öffentlicher Diskussion

Projektleitung: Bernd Grewe, Barbara Hanke, Reinhard Johler

Teilprojekt Ö treibt die Historisierung von Krisendiagnosen, eines der langfristigen Ziele des SFB, weiter voran, indem es den Transfergedanken in Forschungsdesign und Forschungspraxis der Teilprojekte sowie des SFB insgesamt verankert. In der dritten Förderperiode erarbeitet es dazu, gemeinsam mit den Mitarbeitern, eine globale Ausstellung an zwölf Standorten weltweit, die die bereits bestehende virtuellen Ausstellung integriert und erweitert. Darüber hinaus entwickelt es eine digitale Lernplattform für Lehrer und Schüler, die das SFB-Modell auf den Geschichtsunterricht überträgt. Schließlich sorgt das Teilprojekt sowohl durch innovative Formate als auch klassische Öffentlichkeitsarbeit für eine intensive Vernetzung innerhalb des Forschungsverbunds und aus diesem heraus.

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