Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

Ethik im Cyber Valley Stuttgart/Tübingen

Gemeinsame Workshops 2021 von IZEW und Weltethos-Institut

Dass digitale Forschung ethische Fragen aufwirft, ist keine Neuigkeit mehr. Wissenschaftler*innen, die über Künstliche Intelligenz und zur Anwendung digitaler Technologien arbeiten, sollten bereits bei der Konzeption ihrer Forschungsprojekte mit ethischen Fragen umgehen können. Diesem Ziel waren die Ethik-Workshops von IZEW und Weltethos-Institut gewidmet.

In unseren beiden Workshops haben wir versucht (digital gehalten, mit zur Verfügung gestellten digitalen Inputs der Lehrenden), die Teilnehmenden zu unterstützen, ein ethisches Problem als solches wahrzunehmen und sich mit ihm fundiert zu befassen. Die Ethik verfügt über eine lange Tradition der systematischen Auseinandersetzung mit moralischen Fragen technologischer Entwicklungen. Wir hatten das Ziel, dass die Teilnehmenden mit den Diskussionen über ethische Begriffe und Ansätze die ersten Schritte lernen, explizit und fundiert über ethische Themen und ihre Bedeutung für ihr eigenes Forschungsprojekt zu diskutieren. Ein solches Projekt beschäftigt sich mit dem Erscheinungsbild von Personen in digitalen Umgebungen. Die Projektgruppe im Cyber Valley Stuttgart/Tübingen entwickelt eine Software, die die digitale Darstellung von Personen und ihren Umgebungen auf dem Bildschirm optimiert, etwa die Kleidung virtuell ersetzt, etc. Solche Programme sollen auch für den Computer im Homeoffice eingesetzt werden können, um die digitale Kommunikation zu vervollkommnen. Die Vorteile des Projekts liegen darin, dass noch mehr professionelle Kommunikation in den digitalen Raum verlagert werden kann, also etwa Reisen eingespart werden können. Neben diesen Vorteilen gibt es jedoch auch Risiken, die zu bedenken sind: Die Technik kann missbraucht werden, und Bilder und Videos könnten eingesetzt werden, um Personen massiv zu schaden. Man stelle sich vor, perfekt nachgestellte Reden von Politiker*innen – mit kompromittierenden Inhalten – tauchen im Internet auf und beeinflussen Wahlentscheidungen. Für die Forscher*innen stellt sich die Frage, wie sie mit solchen Herausforderungen umgehen sollen, und ob es womöglich noch weitere – letztlich ethische – Fragen gibt, die sie bedenken sollten.

Für dieses Projekt können die ethischen Vorteile benannt werden: Ressourcen zu schonen, ist ein ‚gutes‘ Ziel, im Sinne der Gerechtigkeit für die jetzt und später lebenden Menschen auf der Erde. Wenn dagegen die Forschung dazu verwendet wird, Menschen durch fake news zu schaden, dann ist diese Konsequenz moralisch fragwürdig. Man könnte hier die Perspektive der Ethik stark machen, dass es auch moralisch relevant ist, welche Entscheidungen zum ‚guten gelingenden Leben‘ der Menschen beitragen. Unsicherheit und Risiken digitaler Forschung sind Themen, die viele Teilnehmenden in ihren Forschungen umtreiben. Zu diesen Fragen hat die Ethik eine lange und ausführliche Debatte anzubieten, die an manchen Stellen für die Forschenden Klärung schaffen kann. Eine weitere Perspektive unserer Diskussionen betraf das Verhältnis von Wissenschaft bzw. Forschung und der Gesellschaft. Auch hinsichtlich dieses Themas lassen sich für konkrete Projekte des Cyber Valley ethische Fragen stellen, etwa nach den Auswirkungen der Forschung für die weitere Gestaltung unserer Gesellschaft.

Wir haben versucht, die Grundlagen ethischen Reflektierens im gemeinsamen Gespräch und in der Auseinandersetzung mit den konkreten Forschungsfragen und -projekten der Teilnehmenden zu diskutieren. Das konkrete Ziel des Workshops bestand darin, den Forscher*innen für die Formulierung der (möglichen) ethischen Aspekte ihrer Forschungsbeschreibungen Unterstützung anzubieten. Unsere didaktische Grundidee bestand darin, die Teilnehmenden in ihrer ‚ethischen Sprechfähigkeit‘ zu schulen. Das bedeutet, ihnen einen ersten Zugang zu ethischen Begriffen, Konzeptionen und Argumentationen zu ermöglichen, damit sie die moralischen Fragen nicht nur erkennen, sondern auch formulieren können, um welche ethischen Herausforderungen es sich handelt. Anschließend daran ist es möglich zu überlegen, wie mit diesen Anforderungen umgegangen werden soll. Im erwähnten Beispiel haben sich die Wissenschaftler*innen etwa schon Gedanken gemacht, wie der in ihrem Forschungsbereich mögliche Missbrauch der digitalen Technologie verhindert werden kann.

Die gemeinsamen Ethik-Workshops sollen auch im Jahr 2022 weitergeführt werden. Die Lehrenden 2021 waren Prof. Dr. Ulrich Hemel und Dr. Bernd Villhauer, Weltethos-Institut, Dr. Simon Meisch und Dr. Uta Müller, IZEW.