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Hexenprozesse in Württemberg und Tübingen

Einführung: Hexenverfolgung in Europa
Zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert wurden in ganz Europa schätzungsweise 40.000 bis 60.000 Menschen als vermeintliche Hexen hingerichtet. Wirtschaftliche Krisen, Missernten, Kriege, Glaubenskämpfe und soziale Spannungen erzeugten ein Klima der Angst und des Misstrauens. Vor diesem Hintergrund fiel die Idee von Menschen, die im Pakt mit dem Teufel Schadenszauberei betreiben, auf fruchtbaren Boden.

Der Hexenhammer als Wegweiser

1487 erschien in Speyer das Handbuch Malleus maleficarum („Hexenhammer“) von Heinrich Kramer, in dem vor allem

  • die Existenz von Hexen und der Teufelspakt postuliert,
  • Methoden zur Identifizierung von Hexen und Verhörführung dargelegt wurden,  
  • Folter als legitimes Mittel zur Geständniserzwingung beschrieben wurde. 

Es diente Inquisitoren und weltlichen Richtern als Leitfaden für die systematische Verfolgung von „Hexen“ und prägte Europa bis ins 17. Jahrhundert hinein.

 

Verfahrensweise im Herzogtum Württemberg

Württemberg galt im Vergleich zu seinen Nachbarterritorien als verfolgungsarm.

  • Alle Strafverfahren liefen über städtische Gerichte mit Laienrichtern und einem Vogt, geordnet nach landesfürstlichen Vorgaben.  
  • Prozesse und Todesurteile brauchten die Genehmigung des Herzogs und seiner Kanzlei in Stuttgart.  
  • Die Juristische Fakultät der Universität Tübingen erstellte Gutachten (Konsilien), die oft aufgrund der Beweislage im Sinne der Angeklagten ausfielen.  
  • Folter war nur bei starken Indizien und unter strengen Formalien erlaubt – ein Unterschied zu anderen Regionen, in denen man häufig zur „kurzen Prozess“-Praxis griff.

Dieses Vorgehen sorgte dafür, dass in Württemberg nur rund 200 von über 3.000 südwestdeutschen Hinrichtungsfällen stattfanden und die Überlebenschance bei den Verfahren über 60% betrug.

Hexenprozesse in Tübingen und Umgebung

In Tübingen selbst sind nur sehr wenige Hexenverfahren dokumentiert, und nur zwei gipfelten in Todesurteilen:

  • 1625 die Verurteilung der Witwe Anna Kappelmayer aus Ofterdingen  
  • 1671 die Verurteilung von Barbara Gü(h)ner aus Ofterdingen.  

Zahlreiche andere Ermittlungen etwa gegen Zauberheiler oder bei mysteriösen Krankheiten endeten ohne Hinrichtung, sobald sich zeigte, dass die Beweislast zu dünn war.

 

Fallstudie: Der Prozess gegen Kunigunda Haan (1651)

  • Anlass: Ein zweijähriger Junge aus Breitenholz litt nach dem Verzehr eines Birnenschnitzes aus der Hand der 60-jährigen Witwe Kunigunda Haan an schweren Magenkrämpfen.  
  • Ermittlungsverlauf: Das Dorf klagte die Alte des Schadenszaubers an; die Obrigkeit befragte den Tübinger Stadtphysikus Samuel Hafenreffer, der die erfolgreiche Behandlung mit geheimen Pülverchen als Beweis dafür sah, dass auch die Ursache der Erkrankung magischen Ursprungs sei. Stuttgart ordnete eine erneute, scharfe Befragung an. Kunigunda blieb standhaft, leugnete schuldig zu sein, und brachte Zeugen dafür an, dass sie und ihre Birnenschnitze niemandem geschadet haben
  • Ergebnis: Mangels neuer Indizien ordnete man ihre Freilassung an und stellte sie unter Beobachtung.  

Dieser Fall illustriert die Balance zwischen lokalem Hexenwahn, akademischer Skepsis und zentraler Fürsorge sowie die entscheidende Rolle, die ein konsequentes rechtsstaatliches Verfahren in Württemberg spielte.

Quellen