ZITh intensiviert seine Beziehungen mit der Ez-Zitouna-Universität in Tunesien
Prof. Dr. Hichem Grissa zu Besuch am ZITh
Von Mahmud El-Wereny
Auf Einladung von Prof. Dr. Mouez Khalfaoui besuchte vom 02.-04. November der Präsident der Ez-Zitouna-Universität Prof. Dr. Hichem Grissa das Zentrum für Islamische Theologie Tübingen (ZITh). Neben einem Gespräch mit dem Rektor der Universität Tübingen, Prof. Dr. Bernd Engler, hielt Herr Grissa zwei öffentliche Vorträge über Medina als Modell für ein friedliches Zusammenleben und der Beziehung des islamischen Normensystems zu den anderen Offenbarungsreligionen.
Prof. Dr. Grissa traf sich mit dem Rektor der Universität Tübingen Prof. Dr. Bernd Engler sowie der Direktion des ZITh, um über die künftige Zusammenarbeit und Kooperation zwischen den beiden Universitäten zu sprechen. Er erhielt in vielen Gesprächen mit den Professoren sowie den Forscherinnen und Forschern des ZITh einen Überblick über die neu etablierten Zentren für Islamische Theologie in Deutschland und die aktuellen Forschungsprojekte am ZITh. Prof. Grissa lobte ausdrücklich die Aktivitäten und Projekte des Zentrums und erklärte seine Bereitschaft zu einem wissenschaftlichen Austausch zwischen beiden Universitäten.
Im Rahmen seines Besuches hielt Prof. Grissa zwei öffentliche Vorträge:
1. Medina als Modell für ein Zusammenleben
Der erste Vortrag thematisierte die Stadt Medina als Modell für ein Zusammenleben zwischen Muslimen und Andersgläubigen. Medina, vorher Yathrib, heute als Stadt des Propheten bekannt, liegt ca. 400 km nordöstlich von Mekka. Als der Prophet Muḥammad im Jahre 622 n. Chr. mit seinen Anhängern nach Medina ausgewandert ist, gab es dort nicht nur Muslime – die sogenannten Helfer (anṣār) –, sondern auch Andersgläubige. Prof. Grissa hob in seinem Vortrag hervor, wie sich der Prophet bemühte, zwischen den Angehörigen dieser unterschiedlichen Religionen – vor allem den Anhängern des Judentums und des Christentums – und den Muslimen eine Atmosphäre der Liebe und Versöhnung zu schaffen. Infolgedessen wurden Friedensverträge geschlossen und Garantien gegeben, welche den Christen und Juden erlaubten, ihre Religionen zu praktizieren und als unabhängige Religionsgemeinschaften zu leben. Dies stellt aus Prof. Grissas Sicht ein Vorbild dar, nach dem sich Muslime in der Diaspora heute richten sollten, um ein Zusammenleben und Zusammenwachsen mit Nichtmuslimen in Europa gewährleisten zu können.
2. Islamisches Recht und Normen vorislamischer Offenbarungsreligionen
Prof. Grissa befasste sich im Rahmen seines zweiten Vortrags mit der Hervorhebung der Beziehung der islamischen Religion und seines Normensystems zu den anderen Offenbarungsreligionen. Seiner Darstellung zufolge erfolgt die Ableitung von islamischen Rechtsnormen durch bestimmte Quellen und Methoden. Gewohnheiten, Traditionen sowie Gesetze vorislamischer Religionen seien aber auch im islamischen Normensystem unter bestimmten Voraussetzungen als normgebende Quelle berücksichtigt worden. Man unterscheide insgesamt zwischen drei Kategorien von vorislamischen Normen, welche in der islamischen Gesetzgebung Beachtung finden: Die erste Kategorie umfasst Normen, die durch islamische Quellentexte bestätigt werden. In die zweite Kategorie fallen Normen, die vom islamischen Normensystem abrogiert werden und die dritte Kategorie bilden Normen, die zwar eindeutig in den islamischen Quellentexten erwähnt werden, jedoch als Vorschrift für Muslime weder bestätigt noch abrogiert werden. Ziel des Vortrags war es, die kontroverse Frage nach dem Leben der Muslime gemäß den Gesetzen nicht-islamisch geprägter Staaten anhand dieses differnzierten Normensystems zu diskutieren.
Ein Besuch der DITIB-Zentralmoschee in Tübingen rundete das Programm ab.