Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

Shirin Garmaroudi Naef

Dissertationsprojekt

Assisted reproductive technologies in Iran from an anthropological perspective: legal and jurisprudential responses and social dynamics

Assistierte Reproduktionstechnologien - wie In-vitro-Fertilisation (IVF), Inseminationen, Samen- und Eizellspende, Präimplantationsdiagnostik (PID) sowie Embryonenspende und die Surrogatmutterschaft - sind im Iran zulässig; sie sind vor allem nach der Auffassung der Mehrheit der schiitischen Rechtsgelehrten (fuqaha) religiös-juristisch legitim, und sie werden in iranischen IVF-Kliniken praktiziert. Im 2003 wurde vom Iranischen Parlament (Majles) das Gesetz über die Embryonenspende an unfruchtbare Ehepaare verabschiedet (in Kraft getreten im Jahr 2005), wonach verheiratete Paare Embryonen spenden beziehungsweise empfangen dürfen. Dieses Gesetz erlaubt implizit auch die Praxis von Surrogatmutterschaft. In diesem Dissertationsprojekt wurden zum einen die normativen Aussagen und Positionen der verschiedenen Schiitischen Rechtsgelehrten (fuqaha) zur Frage der assistierten Reproduktionstechnologien (ARTs) dargestellt and analysiert. Zum anderen wurden der rechtliche Regulierungsprozess und das Verfahren sowie die sozialen Anwendungen dieser Technologien mit besonderem Fokus auf den Erfahrungen der betroffenen Personen in Iran untersucht. Diese vergleichsweise liberale Einstellung zu Reproduktionstechnologien beziehungsweise das Recht und die Praxis der Fortpflanzungsmedizin in Iran ist vor allem von den schiitischen Vorstellungen und Konzeptionen von Verwandtschaft geprägt. Diese theologischen und juristischen Konzeptionen der Verwandtschaft haben grosse Auswirkungen auf die medizinische Praxis sowie auf die individuellen und institutionellen Entscheidungen. Hierzu gehören etwa die Heirat, Erbschaft, Deszendenz, der Ehebruch und Inzest sowie der ontologische und moralische Status der menschlichen Embryonen. Diese Dissertation beschäftigt sich mit den zentralen Merkmalen, Prinzipen, Terminologien und Strukturen von existierenden Normen und Werten in diesem Kontext.

Diese Dissertation ist die erste Ethnographie, die sich mit den sozialen, ethischen (akhlāqi), rechtlichen (hoquqi) und religiös-juristischen (fiqhi) Aspekten der assistierten Reproduktion in Iran auseinandersetzt und diese in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext behandelt. Methodologisch stützt sich das Dissertationsprojekt auf eine Kombination von ethnographischer Forschung und Textanalyse verschiedener zeitgenössischer Publikationen in Iran, darunter Schiitischer Texte und Rechtsmeinungen sowie Gesetzesvorlagen, Parlamentsentscheiden und Zeitungsartikel. Insgesamt umfassen die zwischen 2005 bis 2011 durchgeführten Feldforschungen in Iran mehr als 200 Interviews und Gespräche mit Iranischen IVF-Spezialisten, Medizinern und medizinischem Personal, Schiitischen Rechtsgelehrten, Juristen, unfruchtbaren Paaren (auch aus Nachbarländern wie Irak und Afghanistan) sowie Gameten- und Embryonenspendern und Surrogatmüttern.

Betreuung

Werdegang

Shirin Garmaroudi Naef ist eine Anthropologin und war von 2008 bis 2012 Stipendiatin im Graduiertenkolleg „Bioethik“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Eberhard-Karls Universität Tübingen und Visiting Doctoral Fellow am Institut für Anthropologie der Universität Manchester in 2011. Sie studierte Theater und Englische Sprache in Teheran, und von 2002 bis 2008 Ethnologie, Islamwissenschaft und Linguistik an der Universität Bern, Schweiz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Medizinanthropologie, Verwandtschafts- und Familienforschung, , Bioethik, Rechtsanthropologie, Historische Soziologie, Religion, Moral und Säkularismus, fiqh (Jurisprudenz) und akhlāq (Ethik) in der schiitischen Denktradition.

CV als pdf.

Publikationen

2014. “Modern Reproductive Technologies and Traditional Ontologies: An Anthropological Reflection on Assisted Reproduction in Iran”, in Ranisch, Robert; Schuol, Sebastian and Rockoff, Marcus (eds.), Selbstgestaltung des Menschen durch Biotechniken, Tübingen: Francke (forthcoming)

2013. “The Birth of Embryo Donation and Surrogacy in Iran”, in Schreiber, Jenny; Eich, Thomas and Clarke, Morgan (eds), Conference Proceedings of the International Conference: Health Related Issues and Islamic Normativity, pp. 102-116, Halle: Menalib, Online Publication.
http://menadoc.bibliothek.uni-halle.de/urn/urn:nbn:de:gbv:3:5-81356

2012. “Gestational Surrogacy in Iran: Uterine Kinship in Shia Thought and Practice”, in Inhorn, Marcia C. and Tremayne, Soraya (eds), Islam and Assisted Reproductive Technologies: Sunni and Shia Perspectives, pp. 157-193, New York and Oxford: Berghahn Books. (peer reviewed)

2008. Gestational surrogacy in Iran (in Persian). Medical Journal of Reproduction and Infertility 9 (1): 50-64. (peer reviewed)

Kontakt

garmaroudispam prevention@gmx.ch 

Webseite bei Academia.edu
https://uzh.academia.edu/ShirinGarmaroudiNaef