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Württembergische Flurkarten

Das Königreich Württemberg entstand am 1. Januar 1806 und ging aus dem Herzogtum Württemberg hervor. Dadurch vergrößerte sich das Gebiet um fast das Doppelte: von 9500 km² auf über 19000 km². Bislang gab es aus dem 17. und 18. Jahrhundert vereinzelt kartographische Darstellungen von Reichsstädten und Klöstern, die aber zu ungenau und uneinheitlich in ihrer Ausführung waren. König Wilhelm I. ordnete daher am 25. Mai 1818 die Landesvermessung an. Die Vermessung aller Flurstücke des gesamten Königreichs sollte die Grundlage sein für die korrekte und einheitliche Erhebung einer Grundsteuer und zugleich für die Sicherung der Eigentumsgrenzen – was außerdem zum Ende andauernder Grenzstreitigkeiten führen sollte. Für diese Aufgabe wurde zunächst eine Katasterkommission eingerichtet, als deren wissenschaftlicher Leiter Professor Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger und als organisatorischer Leiter der Vermessungs-dirigent Franz Jakob von Mittnacht ernannt wurden. Bohnenberger war Professor der Mathematik und Astronomie an der Universität Tübingen und war bereits als Kartograph für die „Charte von Schwaben“ tätig.

Für die neue Aufgabe der Landesvermessung wählte Bohnenberger als Nullpunkt den Mittelpunkt der Sternwarte im nordöstlichen Turm auf Schloss Tübingen. Von diesem Punkt aus wurde das ganze Land durch 500 Geometer (Feldmesser) vermessen und in vier Quadranten aufgeteilt (NO, NW, SO, SW). Gearbeitet wurde mit Meßtisch, Kippregel, Winkelkreuz, Wasserwaage und langen Meßstangen, so daß insgesamt 15572 Flurkarten im Maßstab 1:2500 angefertigt wurden. In der Natur entsprechen Länge und Breite einer Flurkarte 1145,69 m. Insgesamt wurden über 5 Millionen Flurstücke vermessen. Auf den Flurkarten wurden nicht nur Grundstücksgrenzen und die Bebauung erfasst, sondern auch Flurnamen, Bewuchs und Nutzung des Bodens, Waldstücke, Ruinen, Denkmäler und Gewässer mit deren Namen. Die Flurkarten bildeten die Grundlage für die Katasterbücher, in denen die Flurstücke nach Lage, Nutzung, Größe und Eigentümer verzeichnet wurden.

Die Landesvermessung dauerte 22 Jahre und wurde am 1. Juli 1840 abgeschlossen. Mit der Anordnung dieser Mammutaufgabe im Jahr 1818 wurde gleichzeitig die Lithographische Anstalt Stuttgart gegründet. Wenige Jahre zuvor hatte Alois Senefelder den Steindruck erfunden, so daß auf diesem Weg eine schnelle und kostengünstige Reproduktion der Flurkarten möglich wurde.

Von diesen Erstdrucken hat die Universitätsbibliothek Tübingen im Jahr 1863 einen Flurkartensatz von über 15000 Flurkarten käuflich erworben. In den folgenden Jahren erschienen Nachauflagen (in UB-Besitz ca. 12900 Flurkarten bis in die 1970er), in denen der landschaftliche Wandel und die bauliche Entwicklung sichtbar werden. Es folgten die sogenannten Höhenflurkarten (ca. 5800 Karten) mit in roter Farbe aufgedruckten Höhenlinien. Im Laufe der Jahre gab es einzelne Verluste an Karten aber dennoch befindet sich nirgendwo sonst eine vollständigere Sammlung dieser historischen Flurkarten als in der UB Tübingen. Um diese Quelle vor allem Landeskundlern und Landeshistorikern leichter verfügbar zu machen, wurden die Erstdrucke verfilmt und auf Mikrofilm und Mikrofiches im Lesesaal zugänglich gemacht. Im Jahr 2010 wurden alle vorhandenen Flurkarten (1818-1863) des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) digitalisiert: https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=50259

In unserem Beispiel sehen wir das Derendinger Planquadrat SO-01.01 der Ausgabe von 1848 mit der Bezeichnung von Quadrant=Region (SO), Schicht=Zeile (01) und Nummer=Spalte (01). Auf den Folgekarten ist bereits die Begradigung der Steinlach (1861), der Anlagensee und die Eisenbahnlinie mit Hauptbahnhof zu erkennen. Eine Digitalisierung der Nachfolgeausgaben und der Höhenflurkarten wäre zum jetzigen Zeitpunkt ein Zukunftsprojekt.

Quellen:

  • Landesarchiv Baden-Württemberg / Staatsarchiv Ludwigsburg:
    https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/einfueh.php?bestand=50259
    (Stand 10.08.2020)
  • 200 Jahre Landesvermessung Baden-Württemberg: 1818-2018 / V.i.S.d.P. Isabel Kling. Stuttgart: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Juni 2018.
    UB-Signatur: 58 B 493
  • 150 Jahre württembergische Landesvermessung: 1818-1968; Festschrift zur 150-Jahrfeier / Landesvermessungsamt Baden-Württemberg. Stuttgart, 1968.
    UB-Signatur: 8 A 8857
  • Die Landesvermessung des Königreichs Württemberg: in wissenschaftlicher, technischer und geschichtlicher Beziehung / auf Befehl der K. Regierung bearb. u. mit deren Genehmigung hrsg. von Conrad Kohler. Stuttgart: Cotta, 1858.
    UB-Signatur: L I 128