Im Dezember 1892 gelang es Maria Gräfin von Linden als erster Frau zum Studium an der Universität Tübingen zugelassen zu werden, nachdem sie 1891 als erstes Mädchen Württembergs an einem Jungengymnasium in Stuttgart das Abitur bestanden hatte. In seinem Schreiben an den akademischen Senat in Tübingen vom 22. September 1892 teilte das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens mit, die Gräfin von Linden beabsichtige, sich dem Studium der Mathematik und Naturwissenschaften zu widmen, und bitte um Erlaubnis, sich an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität immatrikulieren lassen zu dürfen.
Das Ministerium unterstützte das Vorhaben und sprach sich für die „ausnahmsweise Zulassung“ der Gräfin zu den betreffenden Vorlesungen - allerdings nur als „Zuhörerin“ - aus. Auch die naturwissenschaftliche Fakultät erklärte sich im Schreiben vom 24. Oktober 1892 an den akademischen Senat mit der Zulassung einverstanden: Die abgelegte Reifeprüfung und das „wissenschaftliche Streben“ der Gräfin Linden waren die ausschlaggebenden Gründe für die Zusage. Am 18. November 1892 schrieb der akademische Senat an das Ministerium, gegen die Zulassung von Lindens „zu den Vorlesungen der einverstandenen Lehrer der naturwissenschaftlichen Fakultät“ sei kein Einspruch erhoben worden. Jedoch zeigen die Abstimmungsergebnisse (10 Ja-Stimmen gegen 8 Nein-Stimmen) deutlich, dass fast die Hälfte der Senatsmitglieder auch nur die ausnahmsweise Zulassung der Frauen zum Studium nach wie vor ablehnten.
Schließlich teilte das württembergische Ministerium dem akademischen Senat am 6. Dezember 1892 mit: „Nachdem Seine Majestät der König vermöge Allerhöchster Entschließung vom heutigen Tage den Unterzeichneten allergnädigst zu ermächtigen geruht haben, der Gräfin von Linden auf Ihr Gesuch um Immatrikulation an der Landesuniversität zu eröffnen, daß Sie zu dem Besuch der Vorlesungen der Mathematik, Physik, Mineralogie und Zoologie auf der Universität Tübingen, mit dem von der naturwissenschaftlichen Fakultät gemachten Vorbehalt zuzulassen sei, daß es jedem einzelnen der in Frage kommenden Lehrer freistehe, die Zulassung zu bestimmten Vorlesungen und Übungen zu versagen, falls Unzuträglichkeiten nach seinem Ermessen zu befürchten sein sollten, wird der akademische Senat hier von auf dem Bericht vom 10. d. Mts zur Besorgung des weiteren mit dem Anfügen in Kenntnis gesetzt, daß der Gräfin von Linden auf Ihre unmittelbar eingereichte Eingabe vom 28. Juli d. J. von hier aus entsprechende Eröffnung gemacht worden ist.“
Das Recht auf ein ordentliches Universitätsstudium erhielten die Frauen in Deutschland erst nach erbitterten Kämpfen. Den Anfang machte 1899 Baden, es folgten 1903 Bayern und 1904 Württemberg. Zu den Wegbereiterinnen des Frauenstudiums gehört Maria Gräfin von Linden, die erste Studentin und Doktorandin der Universität Tübingen und Württembergs. Trotz ihrer privilegierten Stellung und einer ausgeprägten Begabung musste sie während ihrer wissenschaftlichen Laufbahn viele Hindernisse überwinden. Ihr Motto lautete: „Schranken sind da, um übersprungen zu werden“.
Maria von Linden wuchs auf Schloss Burgberg bei Heidenheim auf. Nach dem Besuch der Dorfschule ging sie 1883 an das Victoria-Pensionat in Karlsruhe, eine renommierte private Töchterschule. Neben dem regulären Unterricht nahm sie Privatunterricht in Mathematik und Latein. Durch Vermittlung ihres Großonkels Josef Freiherr von Linden, Staatsminister in Württemberg, konnte sie 1891 als erstes Mädchen in Württemberg an einem Stuttgarter Realgymnasium für Knaben die Reifeprüfung extern ablegen.
Mit einer Ausnahmegenehmigung des württembergischen Königs vom 6. Dezember 1892 wurde von Linden zum Studium an der Universität Tübingen als außerordentliche Studentin, d.h. ohne immatrikuliert sein zu dürfen, zugelassen. Sie besuchte Veranstaltungen in Mathematik, Physik, Chemie, Zoologie, vergleichender Anatomie und Histologie. Im August 1895 wurde sie als erste Frau in Deutschland zum „Scientiae naturalis doctorem“ (Dr. rer. nat.) promoviert. 1897 bis 1899 war sie als wissenschaftliche Hilfskraft und Kustodin - und somit als erste weibliche Assistentin - am Zoologischen Institut in Tübingen tätig.
1899 wechselte von Linden als zweite Assistentin - und erneut als erste Frau - an das Zoologische Institut der Universität Bonn. Trotz ihrer „über das Gewöhnliche weit hinausragenden wissenschaftlichen Kraft“ wurde ihr Habilitationsgesuch im Mai 1908 „aus grundsätzlichen Bedenken“ vom preußischen Kultusminister abgelehnt. Der Minister teilte die Ansicht der Akademischen Senate und Fakultäten, die Zulassung von Frauen zur akademischen Laufbahn sei weder mit der gegenwärtigen Verfassung noch mit den Interessen der Universitäten vereinbar, und sprach den Frauen das Habilitationsrecht grundsätzlich ab.
Dennoch wurde 1910 von Linden als erste Frau in Preußen und eine der ersten Frauen in Deutschland in „Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistungen“ mit dem Professorentitel von der Bonner Philosophischen Fakultät geehrt. Es war allerdings eine reine Titularprofessur – die Venia legendi bzw. die Lehrbefugnis blieb ihr verwehrt. Die Habilitation wurde Akademikerinnen in Deutschland erst in der Weimarer Republik gestattet.
Als Leiterin der Parasitologischen Abteilung des Hygienischen Instituts und ab 1913 des Parasitologischen Laboratoriums wirkte die Wissenschaftlerin über 30 Jahre lang in Bonn. Sie forschte über Tierseuchen, Darmparasiten des Menschen, Infektionskrankheiten, vornehmlich die Tuberkulose, und veröffentlichte zahlreiche Abhandlungen. Zweimal wurde sie von der französischen Akademie der Wissenschaften mit dem Da-Gama-Machado-Preis ausgezeichnet.
Maria von Linden lehnte die menschenverachtende Politik der Nationalsozialisten von Anfang an ab und bekannte sich offen zu ihren jüdischen Freunden. 1933 wurde sie auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums zwangspensioniert. Sie emigrierte nach Liechtenstein, wo sie im eigenen Labor bis zu ihrem Tod am 26. August 1936 weiter forschte.
UAT 117/204, Zulassung Maria von Lindens zum Studium (6.12.1892)
UAT 117/1377, Belegnachweise (1892-1897)
UAT 136/17, Promotion zum Dr. rer. nat.
UAT 132/71-1895, Doktordiplom (5.8.1895)
UAT 117/933, Anstellung als wissenschaftliche Hilfskraft und Kustodin im Zoologischen Institut (1897-1899)
UAT 724/124, Jubiläum Frauenstudium Ausstellung der Frauenkommission Medizin und Biographien Maria Gräfin von Linden 2004
UBT Ba 400,181 Maria von Linden: Die Entwicklung der Skulptur und der Zeichnung bei den Gehäuseschnecken des Meeres. Dissertation. Tübingen 1895.
Birn, Marco: „Die geeignetste Universität für eine weibliche Studentin“. Weg und Beginn des Frauenstudiums an der Universität Tübingen. In: Gedigk, Marvin u.a. (Hrsg.), Tübinger Töchter. Frauen an der Tübinger Universität im 20. Jahrhundert. Tübingen 2019, S. 17-29.
Flecken, Susanne: Maria Gräfin von Linden. In: Kuhn, Annette (Hrsg.), 100 Jahre Frauenstudium. Frauen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Dortmund 1996, S. 117-125.
Flecken-Büttner, Susanne: Maria Gräfin von Linden (1869-1936). Erste Titularprofessorin in Bonn. In: Mättig, Ursula [u. a.] (Hrsg.), Vor-Bilder. Wissenschaftlerinnen der Universität Bonn. Historische, soziologische und künstlerische Perspektiven. Bonn 2003, S. 46-54.
Junginger, Gabriele (Hrsg.): Maria Gräfin von Linden. „Erlebtes und Erstrebtes eines Sonntagskindes“: die Erinnerungen der ersten Studentin in Württemberg, 2. Aufl. Tübingen 1998.
Kretschmer, Johanna: Maria von Linden - die erste Studentin der Universität Tübingen. In: Attempto 33/34 (1969), S. 78-88.
Planert, Ute: „Kultursensation mit Ausnahmegenehmigung“. Von der ersten Studentin in Württemberg zur ersten Professorin: Maria Gräfin von Linden. In: Tübinger Blätter 1991/92, S. 81-84.
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