University Library

Die "Abklatschkiste" von Julius Euting

An die 200 Stück Papierabklatsche verwahrt die Universitätsbibliothek in einer Original- Holzkiste von Julius Euting (*1839 in Stuttgart, † 1913 in Straßburg).

Euting war Orientalist aus Leidenschaft und von 1868-1871 Bibliothekar an der Universitätsbibliothek in Tübingen. Seine Dienstwohnung hatte er im Haspelturm auf dem Schloß, in dem sich damals auch die Bibliothek befand. Im Juli 1871 wechselte er an die Universitätsbibliothek in Straßburg.

Julius Euting hatte nicht nur ein Talent für orientalische Sprachen, sondern konnte auch hervorragend zeichnen und malen. Dies war auf seinen zahlreichen Forschungsreisen von großem Nutzen. Seine Reisetagebücher und Skizzenbücher aus Inner-Arabien hat er dadurch zu einer bebilderten Dokumentation gemacht, die bereits online veröffentlicht ist.

Doch zurück zur Kiste. Bevor sich Julius Euting im Mai 1883 auf den Weg zu einer Reise nach Syrien begibt, schreibt er am 20. Januar 1883 einen Brief an das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens in Stuttgart und bietet „Papierabdrücke“ von altsemitischen und anderen Inschriften als Geschenk an. Man könne diese als Material bei epigraphischen Vorlesungen an der Universität verwenden. Das Angebot wurde angenommen und Euting angewiesen, „die betreffende Kiste (in welcher die Papiere in etiquettirten Umschlägen geordnet liegen, u. vielleicht auch in Zukunft am besten darin aufbewahrt bleiben können) direct an die K. Universitätsbibliothek nach Tübingen abzusenden.“ Am 27. Januar 1883 wurde die Kiste in unseren Bestand aufgenommen. Sie enthält bis heute jene Papierabklatsche in den Original-Umschlägen. Die Holzkiste ist 71 cm breit und 56 cm tief und hat eine Höhe von 9,5 cm. Gewicht: schwer.

Ein „Abklatsch“ war im 19. Jahrhundert eine gängige Methode, von Inschriften auf Stein einen Abdruck auf Papier zu nehmen. Dazu benötigte man einen Bogen Papier, Wasser und eine Bürste. Das befeuchtete Papier wurde mit der Bürste vorsichtig in die in Stein gemeißelte Inschrift „geklatscht“, bzw. geklopft, danach das Papier am Stein getrocknet und abgezogen. Mit dieser einfachen Technik konnte überall gearbeitet werden.

Die Papierabklatsche hat Julius Euting teilweise selbst angefertigt oder anfertigen lassen. Ein großer Teil stammt nicht vom Original-Fundort der Steine, sondern vom Standort in den Museen. Euting besuchte mehrmals den Louvre in Paris, das British Museum in London, sowie Museen in Turin und Cagliari. Darauf deuten entsprechende Herkunftsstempel hin. Auf einigen Abklatschen gibt es keine Stempel, sondern Bleistifthinweise, wie zum Beispiel denjenigen aus Athen vom 7.11.1867 zu einem Wohnhaus. Bei den Abdrucken handelt es sich unter anderem um phönizische, karthagische, neupunische, aramäische und hebräische Inschriften. Ein Abklatsch einer mittelalterlichen Inschrift befindet sich auch in der Kiste und stammt von der Südseite der Michaeliskirche in Schwäbisch Hall, abgeklatscht im August 1882.

Am 18. Dezember 1864 schreibt Julius Euting an seinen Freund Theodor Nöldeke, dass er nun eine „hübsche Sammlung von Abdrücken phönikischer und neupunischer Inschriften“ habe, darunter Abdrücke von Votiv- und Opfersteinen. Im März 1865 berichtet er Nöldeke, dass er fast 2 Monate dazu benötigt hatte, sein „erbeutetes Rohmaterial zu ordnen… Inschriften-Abklatsche zu pappen [=kleben] und zu flicken“. Zahlreiche Abklatsche hat Euting als Lithographie und in transkribierter Form in wissenschaftlichen Abhandlungen veröffentlicht.

Quellen / Literatur

Briefe von Julius Euting an Adelbert von Keller. UB-Signatur: Md 760-151 (1883).

Briefe von Julius Euting an Theodor Nöldeke. UB-Signatur: Md 782-A65.
https://opendigi.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Md782-A65

Etymologisches Wörterbuch des Deutschen: https://www.dwds.de/wb/etymwb/Abklatsch

Euting, Julius: Sammlung altsemitischer Inschriftenabdrücke (194 Abklatsche in einer Holzkiste), 1883. UB-Signatur: Ma II 1.

Euting, Julius: 26 Tagebücher und 10 Skizzenbücher über die Reisen in den Orient, nach Nordafrika und zu den Orientalistenkongressen. 1869-1905. UB-Signatur: Md 767.
https://opendigi.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Md676

Radloff, Vasilij: Eine neue Methode zur Herstellung von Abklatschen von Steininschriften.
Sankt Petersburg, 1892. UB-Signatur: Ci I 84.4-75,14.

Sammlung der Carthagischen Inschriften / hrsg. von Julius Euting. Strassburg: Trübner, 1883.
UB-Signatur: Ci VI 9 a.4-1,TAF+ANH, S. Taf 67ff.

Universitätsakte UAT 117/603, Blatt 142 (1883)

Universitätsakte UAT 167/303, S. 187-189 (1883)

Wortschatz: vom Sammeln und Finden der Wörter, Ausstellung im Stadtmuseum Tübingen / hrsg. von Anke te Heesen. Tübingen: Kulturamt, Stadtmuseum, 2008. UB-Signatur: 48 B 571, S. 29-35.