Faculty of Humanities

Sikka:Buya - Das Online-Portal zur Münzprägung der Būyiden

Gefördert von der Fritz-Thyssen-Stiftung (2021–2023) bietet das an der Universität Tübingen entwickelte erste Online-Themenportal der islamischen Numismatik sowohl einen innovativen Typenkatalog (mit aktuell über 1600 Einträgen) als auch neue digitale Anwendungen zur Analyse und aussagekräftigen Visualisierung jener einzigartigen Informationsfülle, welche insbesondere in den umfangreichen Inschriften islamischer Münzen gespeichert ist. Ausgewählt wurden die vielfältigen Prägungen der Būyiden-Dynastie, welche im 10. und 11. Jh. über weite Teile Irans und Mesopotamiens gebot und dabei das Bagdader ʿAbbāsidenkalifat kontrollierte. Ihr „Reich“ stellte einen komplexen Herrschaftsverband dar, in dem unter wechselnder Führung verschiedene, oft rivalisierende Būyiden-Linien regierten und auch diverse Vasallendynastien integriert waren. Die zwischen 934 und 1062 geprägten Münzen geben hierüber urkundenartig Auskunft, indem auf ihnen nicht nur Prägejahr und -ort genau angegeben sind, sondern auch all die Herrscher, welche es auf Grund ihrer Stellung in der hierarchischen Ordnung zu nennen galt. Bislang wurde dieser Primärquellenfundus noch nicht umfassend herangezogen und systematisch befragt, um ein tieferes Verständnis für die Eigenarten und den Wandel insbesondere der politischen Verhältnisse unter den Būyiden zu entwickeln. So sind etwa die damals zunehmende Dezentralisierung und die Komplexität der stark ausdifferenzierten Herrschaftsverhältnisse von Interesse, welche durch die gewachsene Anzahl der auf Münzen dokumentierten Orte, Namen und Titel zum Ausdruck kommen.

 


Unser Portal dient dabei nicht der Präsentation irgendeines Sammlungsbestandes – es werden keine Münzen gezeigt –, sondern dem Ziel, diese großartige Materialbasis unter diversen Gesichtspunkten zum Sprechen zu bringen, wozu die Informationen zu Machtverhältnissen und Herrschaftsstrukturen, aber auch weitere numismatische Merkmale, welche etwa Rückschlüsse auf die ökonomische Situation und kulturelle Entwicklung erlauben, in sikka:būya systematisch erfasst, verknüpft und so auswertbar gemacht wurden. Im Zentrum stehen dabei interaktive Karten-Anwendungen, die unter anderem gezielte Abfragen in Form auswählbarer Kombinationen von Personen, Zeiten und (über 60 kartierten) Orten ermöglichen (oder beispielsweise auch das Vorkommen bestimmter laqab-Arten und Münzzeichen aufzeigen). So lässt sich etwa ermitteln und visualisieren, wer wo und wann die Oberherrschaft einer bestimmten Person anerkannte/ablehnte, wobei die Abhängigkeiten, Hoheitsgebiete usw. über eine spezielle Farb- und Form-Symbolik deutlich werden. Derartige Kartenbilder bieten neue Einblicke in den Aufbau und die Funktionsweise von Herrschaft, zum Beispiel in Bezug auf Reichsteilungen und -einigungen, konkurrierende Ansprüche oder den Umgang mit dem Kalifat – und das allein auf Basis der zuverlässigen Informationen aus den Münzinschriften. Sikka:būya soll nicht zuletzt demonstrieren, dass gerade der numismatische Ansatz geeignet ist, um zu einer besseren Vorstellung von einem „Reich“ wie dem der Būyiden zu gelangen, indem aus einzelnen Materialdaten ein Gesamtbild generiert wird. Es ist nicht zuletzt dieses genaue Bild, das wir aus der Verwandlung von Münzinschriften in Karten gewinnen, welches es uns erlaubt, die literarischen Überlieferungen zu überprüfen, zu ergänzen oder auch zu korrigieren.