Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät

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11.05.2022

Explosion auf einem Weißen Zwerg direkt beobachtet

Wenn Sterne wie unsere Sonne ihren Brennstoff verbraucht haben, schrumpfen sie zu Weißen Zwergen. Manchmal zucken solche Objekte in einer superheißen Explosion noch einmal auf und produzieren einen Feuerball aus Röntgenstrahlung. Einen solchen Ausbruch im Röntgenlicht konnte ein Forschungsteam aus verschiedenen unter Führung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) jetzt zum ersten Mal direkt beobachten, Tübinger Wissenschaftler waren an dem Projekt beteiligt.

„Dabei kam uns auch der Zufall zu Hilfe“, erklärt Ole König vom Astronomischen Institut der FAU in der Dr. Karl Remeis-Sternwarte Bamberg, der gemeinsam mit dem FAU-Astrophysiker Prof. Dr. Jörn Wilms und dem Forschungsteam bestehend aus dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, der Universität Tübingen, der Universitat Politécnica de Catalunya in Barcelona und dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam in der renommierten Fachzeitschrift Nature über die Beobachtung berichtet. „Solche Röntgenblitze lassen sich kaum vorhersagen, dauern nur wenige Stunden und das Beobachtungsinstrument muss in dieser Zeit auf den Ausbruch zielen“, schildert der Astrophysiker die Zusammenhänge.

Bei diesem Instrument handelt es sich um das eROSITA-Röntgen-Teleskop, das eineinhalb Millionen Kilometer von der Erde entfernt seit 2019 den Himmel nach weichen Röntgenstrahlen durchmustert. Dabei wurde am 7. Juli 2020 starke Röntgenstrahlung in einem Bereich des Himmels gemessen, der vier Stunden vorher noch völlig unauffällig gewesen war. Als das Röntgen-Teleskop vier Stunden später die gleiche Stelle am Himmel erneut musterte, war diese Strahlung wieder verschwunden. Weniger als acht Stunden hatte der Röntgenblitz also gedauert, der vorher das Zentrum des Detektors völlig überbelichtet hatte.

Solche Röntgen-Ausbrüche hatten theoretische Überlegungen bereits vor mehr als 30 Jahren vorgesagt. Sie waren bisher aber noch nie direkt beobachtet worden. Diese Feuerbälle aus Röntgenstrahlen entstehen auf der Oberfläche von Sternen, die eine ähnliche Größe wie unsere Sonne hatten, bevor sie ihre Brennstoffvorräte aus Wasserstoff und später aus Helium tief in ihrem Inneren weitgehend verbraucht hatten. Diese alten Sterne schrumpfen sehr stark zusammen, bis ein „Weißer Zwerg“ übrigbleibt, der ähnlich groß wie die Erde ist, aber eine Masse enthält, die ähnlich groß wie unsere Sonne sein kann. „Diese Verhältnisse kann man sich an einem Beispiel gut vorstellen“, erklärt Jörn Wilms: „Stellt man sich die Sonne in der Größe eines Apfels vor, hätte die Erde die Dimension eines Stecknadelkopfes, der in zehn Metern Entfernung um den Apfel kreist.“

„Solche sogenannten Novae passieren häufiger, aber eine Beobachtung der allerersten Augenblicke des Ausbruchs, bei denen der größte Teil der Röntgenstrahlung produziert wird, ist sehr schwierig“, fügt Dr. Victor Doroshenko von der Universität Tübingen hinzu. „Nicht nur die kurze Dauer diese Röntgenblitzes ist eine Herausforderung, sondern auch die Tatsache, dass das Spektrum der emittierten Strahlung sehr weich ist. Weiche Röntgenstrahlung ist nicht sehr energiereich und wird leicht von interstellarer Materie absorbiert, deshalb können wir in diesem Wellenlängenband nicht besonders tief ins All blicken. Das begrenzt die Anzahl der beobachtbaren Objekte, gleich ob eine Nova oder ein normaler Stern. Röntgenteleskope sind deshalb normalerweise so konstruiert, dass sie besonders im harten Röntgenbereich effektiv arbeiten. Und genau das ist der Grund, warum wir ein solches Ereignis nicht sehen würden!“

Sterne in Form eines Edelsteins
Verkleinert man wiederum einen Apfel auf die Größe eines Stecknadelkopfes, behält dieses winzige Teilchen das vergleichsweise riesige Gewicht des Apfels. „Ein Teelöffel Materie aus dem Inneren eines Weißen Zwergs hat daher leicht die Masse eines Lastkraftwagens“, erklärt Jörn Wilms weiter. Weil diese ausgebrannten Sterne hauptsächlich aus Sauerstoff und Kohlenstoff bestehen, ähneln sie einem ebenfalls aus Kohlenstoff bestehenden riesigen Diamanten, der die Größe der Erde hat und im Weltraum schwebt. Diese Objekte in Form eines Edelsteins sind zwar immer noch heiß und leuchten daher weiß. Nur ist diese Strahlung schwach und lässt sich daher von der Erde aus gesehen kaum entdecken.

Es sei denn, der alte Stern wird von einem Stern begleitet, in dem das Sonnenfeuer noch brennt und von dem dann Material auf ihn übergehen kann. „Dieser Wasserstoff kann sich mit der Zeit zu einer nur wenige Meter dicken Schicht auf der Oberfläche der Sternenleiche sammeln“, erklärt FAU-Astrophysiker Jörn Wilms. In dieser Schicht aber erzeugt die riesige Schwerkraft einen gigantischen Druck, der so groß werden kann, dass dort das Sternenfeuer wieder zündet. In einer Kettenreaktion entsteht rasch eine riesige Explosion, in der die Wasserstoffschicht wieder abgesprengt wird. Die Röntgenstrahlung einer solchen Explosion hat dann am 7. Juli 2020 die Detektoren von eROSITA getroffen und überbelichtet.

„Der physikalische Ursprung der Röntgenstrahlung des Weißen Zwergs ist ganz gut verstanden und wir können das Spektrum sehr gut modellieren. Der Vergleich von Modellen mit der Beobachtung erlaubt die Bestimmung von Masse, Größe und chemischer Zusammensetzung dieser Objekte.“ Erklärt Dr. Valery Suleimanov von der Universität Tübingen. „Das Problem in diesem Fall war, dass wir nach 30 erfolglosen Jahren solche Röntgenblitze zu finden plötzlich ein so helles Ereignis beobachtet haben, das die Detektoren des Teleskops überbelichtete und die Auswertung der Daten erschwerte.“ fügt Victor Doroshenko hinzu.

„Mit Modellrechnungen, mit denen wir ursprünglich die Entwicklung des Röntgen-Instruments begleitet hatten, konnten wir dann in einer aufwändigen Arbeit das überbelichtete Bild genauer analysieren und so erstmals einen Blick hinter die Kulissen einer solchen Explosion auf einem Weißen Zwerg werfen“, schildert Jörn Wilms die weitere Forschung. Nach diesen Ergebnissen sollte der Weiße Zwerg ungefähr die Masse unserer Sonne haben und damit relativ groß sein. Bei der Explosion entstand ein 327.000 Grad heißer Feuerball, der damit rund sechzigmal wärmer als unsere Sonne war. „Diese Ergebnisse wurden durch die Kombination von Modellen der Röntgenstrahlung und der Emissionsmodellen von weißen Zwergen gewonnen, die in Tübingen von Valery Suleimanov und Victor Doroshenko entwickelt werden, gewonnen. Das zeigt eindrücklich, wie wichtig die Zusammenarbeit in der modernen Wissenschaft ist und belegt die breite Expertise des deutschen eROSITA-Konsortiums“, fügt Professor Klaus Werner von der Universität Tübingen hinzu.

Weil bei solchen Novae der Energie-Nachschub fehlt, kühlen sie rasch aus, und die Röntgenstrahlung wird weicher, bis sie schließlich zu sichtbarem Licht wird, das einen halben Tag nach der eROSITA-Entdeckung auch die Erde erreichte und mit optischen Teleskopen beobachtet wurde. „Es tauchte dann ein scheinbar heller Stern auf, der sogar mit dem bloßen Auge sichtbar war“, erklärt Ole König. Solche scheinbaren „neuen Sterne“ wurden auch früher schon beobachtet und wegen ihres unverhofften Auftauchens „Nova Stella“ genannt, was „neuer Stern“ bedeutet. Weil diese Nova aber erst nach dem Röntgenblitz sichtbar wird, ist eine Vorhersage für solche Ausbrüche sehr schwierig, die daher eher zufällig die Röntgen-Detektoren treffen. „Da hatten wir wirklich Glück“, freut sich Ole König.

Weitere Informationen:
https://www.nature.com/articles/s41586-022-04635-y

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Klaus Werner
Institut für Astronomie und Astrophysik, Universität Tübingen
Tel.: 07071 29-78601
wernerspam prevention@astro.uni-tuebingen.de

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