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26.04.2018
Frust im Quantensystem: Im Phasenübergang gibt es keine Entscheidung zwischen flüssig und fest
Wissenschaftler der Universitäten Tübingen und Konstanz entdecken einen beispiellosen Mechanismus, für den es in der klassischen Physik keine Entsprechung gibt
Phasenübergänge in der Physik sind jedem aus dem Alltag bekannt, zum Beispiel das Schmelzen: Wenn ein fester Stoff erhitzt wird, bewegen sich seine Atome freier und er wird plötzlich flüssig. Phasenübergänge gibt es auch in der Quantenphysik, die allerdings der Alltagserfahrung nicht zugänglich sind und auch die Wissenschaft noch vor viele Fragen stellen. Nun haben Professorin Sabine Andergassen und Dominik Maile von der Universität Tübingen gemeinsam mit Professor Wolfgang Belzig und Dr. Gianluca Rastelli von der Universität Konstanz in theoretischen Berechnungen untersucht, welche Effekte und Mechanismen auf ein Quantensystem am Phasenübergang einwirken. Dabei sind sie auf ein merkwürdiges Verhalten gestoßen, das durch die von Heisenberg beschriebene Unschärferelation zustande kommt – und bei der Informationsverarbeitung in einem Quantencomputer zu Problemen führen könnte. Die neuen Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Physical Review B veröffentlicht.
Am absoluten Temperaturnullpunkt treten keine Wärmebewegungen mehr auf, nur Quantenfluktuationen. Phasenübergänge eines Quantensystems können hier zum Beispiel durch Druck- oder Magnetfeldänderungen ausgelöst werden. Sie ähneln der Wärmebewegung der Atome beim Schmelzen eines Stoffes. „Diese Dynamik wird stark durch die Wechselwirkung des Quantensystems mit der Umgebung beeinflusst. Dies wird allgemein als Dissipation bezeichnet“, erklärt Sabine Andergassen. Dissipation – wörtlich Zerstreuung – bedeutet, dass sich die Möglichkeiten des Systems durch Energieverluste oder geringere Bewegungsfreiheit der Teilchen einschränken. „Die Dissipation sorgt dafür, dass einige Quantenfluktuationen unterdrückt werden und das System einen stärker geordneten Zustand anstrebt“, sagt die Physikerin – in der Entsprechung zum Schmelzen das System also den „festen“ gegenüber dem „flüssigen“ Zustand bevorzugt.
„Wie Heisenbergs Unschärferelation vorhersagt, führt dies wiederum zu einer häufigeren unkontrollierten Änderung des Impulses“, sagt Wolfgang Belzig. Wirkten nun auf die untersuchten Quantenobjekte zwei verschiedene Umgebungssysteme ein, die die Fluktuationen zweier verbundener Variablen gleichzeitig unterdrücken wollten, verbiete sich dies durch Heisenbergs Prinzip. „Das System kann nicht beide Anforderungen gleichzeitig erfüllen, es wird sozusagen frustriert“, erklärt Dominik Maile. Gianluca Rastelli setzt hinzu: „Beim Phasenübergang könnte ein unerwartetes Verhalten des Quantensystems auftreten.“ In Entsprechung zum Schmelzen eines Stoffs in der klassischen Physik wäre das Quantensystem zwischen dem festen und flüssigen Zustand hin- und hergerissen.
„Diese Konkurrenzsituation zwischen verschiedenen dissipativen Mechanismen führt zu einem merkwürdigen Verhalten beim Phasenübergang des Quantensystems“, fasst Gianluca Rastelli die Ergebnisse zusammen. Dies stelle eine grundlegende Eigenschaft des Quantensystems dar – und ebne den Weg zur Untersuchung weiterer Aspekte dieser Übergänge im Labor. Denn diese neu entdeckte Eigenschaft könne auch Einfluss im Bereich der Verarbeitung von Quanteninformation haben, wie zum Beispiel bei einem Quantencomputer.
Publikation:
D. Maile, S. Andergassen, W. Belzig, and G. Rastelli: Quantum phase transition with dissipative frustration. Physical Review B 97, 155427 (2018)
DOI: 10.1103/PhysRevB.97.155427
Kontakt:
Prof. Dr. Sabine Andergassen
Universität Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
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Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
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