Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät

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18.05.2022

Überweidung kippt komplettes Ökosystem

Forschungsteam mit Tübinger Beteiligung identifiziert Grenzwert auf mikrobiologischer Basis

Die Weideflächen in Tibet werden hauptsächlich für Yaks genutzt.

Das Tibetplateau hat eine besondere Bedeutung als Weideökosystem, als Kohlenstoffspeicher, für die Entstehung des Monsuns und für die Trinkwasserversorgung. Bei niedriger bis moderater Beweidung schützen tote und lebende Wurzeln der dort verbreiteten Kobresiarasen die Böden vor Degradation, also dem schrittweisen Verlust ihrer Ökosystemfunktionen bis hin zur Erosion. Ein internationales Forschungsteam mit Tübinger Beteiligung hat erstmals auf mikrobiologischer Basis den kritischen Grenzwert der Beweidung identifiziert, ab dem eine Degradation unumkehrbar ist. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten unterschiedliche Standorte des Tibetplateaus mit Weiden in verschiedenen Degradationsstufen. Sie bestimmten jeweils die Elementvorräte im Oberboden, die mikrobielle Bodengemeinschaft von Bakterien und Pilzen und die Enzymaktivitäten direkt im Feld. Ein Ergebnis: Überweidung und Klimawandel führen zu einem Rückgang der Kohlenstoffvorräte um 42 Prozent und der Stickstoffvorräte um 33 Prozent. „Die Kohlenstoffverluste lassen sich zu zwei Dritteln durch Erosion und zu einem Drittel durch reduzierten Pflanzeneintrag und erhöhte Mineralisation erklären“, sagt Erstautor Per-Marten Schleuss. 

Im Verlauf der zunehmenden Degradation verändert sich die mikrobiotische Zusammensetzung des Bodens stark. „Während zunächst vor allem einfach abbaubare Wurzelrückstände hydrolytisch abgebaut werden, folgt dann ein Stadium mit einem abrupten Wechsel zur Dominanz oxidativer Enzyme“, so Erstautor Andreas Breidenbach aus der Abteilung Geosphären-Biosphären Wechselwirkungen der Universität Tübingen. „An diesem Wendepunkt werden stabilisierende Wurzelrückstände so vollständig abgebaut, dass anschließend die Erosion deutlich zunimmt und der verbleibende Oberboden komplett abgetragen wird.“

„Eine Überschreitung des von uns identifizierten Grenzwertes der Beweidung ändert das komplette Ökosystem,“ fasst Prof. Dr. Michaela Dippold aus der Abteilung Geosphären-Biosphären Wechselwirkungen der Universität Tübingen zusammen. „Die Degradation erodiert die Böden. Vegetationsfreie Erdoberflächen verändern die Reflektion der Sonnenstrahlen und den Wasserhaushalt. Dies wiederum beeinflussen nachweislich die Wolkenbildung und weitere atmosphärische Eigenschaften über dem Tibetplateau.“

Publikation: 

Andreas Breidenbach et al., Microbial functional changes mark irreversible course of Tibetan grassland degradation, Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-022-30047-7  

Nach einer Pressemitteilung der Universität Göttingen 

Kontakt:

Prof. Dr. Michaela Dippold
Universität Tübingen
Geosphären-Biosphären Wechselwirkungen
Geo- und Umweltforschungszentrum

 Telefon: 0157-71732928
E-Mail: michaela.dippoldspam prevention@uni-tuebingen.de 

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