Alte Geschichte

Das Tübinger Lykien-Projekt

Lykische Münzen

Die 'Dynastenzeit' (ca. 510/500 - 360)

Die lykischen Münzen der 'Dynastenzeit' (ca. 510 - 360 v. Chr.) lassen sich nach heutigem Kenntnisstand grob in vier Gruppen einteilen (J. Zahle, Achaemenid Influences in Lycia (Coinage, Sculpture, Architecture). Evidence for Political Changes during the 5th Century B. C., in: H. Sancisi-Weerdenburg/A.Kuhrt (Hg.), Achaemenid History VI: Asia Minor and Egypt: Old Cultures in a New Empire, Leiden 1991).

Gruppe A (ca. 510/500 - 480/470 v. Chr.)

Typen: Vs.: Eber bzw. Eberprotome, Rs.: Variierendes Incusum
Diese Münzen tragen so gut wie nie eine Legende, und wenn, so besteht sie aus einem einzigen lykischen Buchstaben. Die Münzen dieser Gruppe sind wohl einem einzigen Zirkulationsraum zuzuweisen, offenbar ganz Lykien. Sie scheinen nach einem einheitlichen Standard geprägt zu sein (Zahle: "mittlerer Standard").

Gruppe B (ca. 480/470 - 425/400 v. Chr.)

Typen: Reiche Bandbreite von Vorder- und Rückseitenmotiven, darunter erste Darstellungen von Gottheiten.
Münzen der Gruppe B weisen häufig Legenden auf, in denen der Prägeherr und/oder ein prägendes Gemeinwesen genannt sind. Bislang ist weder in dieser Gruppe noch in einer der anderen eine Prägung nachgewiesen, die von zwei 'Dynasten' oder zwei Prägeorten gemeinsam herausgegeben wurde. Nicht sehr lange nach Einsetzen der Gruppe B differenzierte sich der lykische Münzfuß im wesentlichen in zwei verschiedene, regional unterschiedliche Standards, einen schweren, dem der Gruppe A nahestehenden, in Ost- und Zentrallykien und einen leichten, der sich sowohl dem attisch-euböischen Drachmenstandard als auch dem persischen Siglosstandard annäherte, im Xanthostal und im übrigen Westlykien.

Ein Stater schweren Standards des Dynasten Sppñtaza, der etwa in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. v. Chr.in Zentrallykien anzusiedeln ist, wurde bei einer Sondage auf dem Avsar Tepesi gefunden. Die Vorderseite zeigt den Kopf einer Göttin,wohl der Malija, die später mit Athena identifiziert wurde. Zuerst bekam sie eine Eule als Attribut zugewiesen, wenig später wurde sie dann vom Bild der Athena selbst verdrängt (z.T. wohl Keimzelle der Gruppe C). Die kunstvolle Haartracht und die schweren Ohrgehänge sind recht auffällig. Auf der Rückseite sieht man einen Tetraskeles, eine Variante des Triskeles, der geradezu als das Nationalsymbol Lykiens bezeichnet werden kann. Die Umschrift lautet SPPÑTA(ZA), dies istder Name des Dynasten und somit selbständigen Prägeherren.
Museum Antalya. SNG v. Aulock 4163 - 4165, 9, 72 g.

Gruppe C (ca. 430/420 - 370/360 v. Chr.)

Typen: Vs.: Meist Kopf der Athena im attischen Helm, Rs.: Meist figürliche Darstellungen, darunter zahlreiche mit Porträtzügen (des Prägeherren?).
Die gesamte Gruppe C zeigt den leichten Standard, gehört also geschlossen nach Westlykien. Die Münzen tragen häufig den Namenszug des Prägeherren und/oder den der prägenden Siedlung.

Gruppe D (ca. 400 - 370/360 v. Chr.)

Typen: Vs.: Porträt (?) des Prägeherren oder Löwendarstellung (im Stierkampf, als Protome oder als Skalp), Rs.: Figürliche Darstellung und/oder Triskeles, letzterer meist in Verbindung mit der Löwenskalp-Vs.
Die Prägungen der Gruppe D gehören sämtlich dem schweren Standard an, stammen also aus Zentral- oder Ostlykien. Auch diese Münzen tragen häufig den Namenszug des Prägeherren und/oder den des Prägeortes.
Die Gepräge dieser Gruppe weisen zuweilen ein hohes künstlerisches Niveau auf (s. z.B. SNG v. Aulock 4202 - 4253).

Rechts ein Diobol (kleinere Silbermünze, etwa der Tageslohn eines Handwerkers) des Dynasten Mithrapata. Diese Kleinmünze repräsentiert den Löwen/Triskelestyp. Die Vorderseite zeigt einen Löwenskalp von vorne. Dieses Bild wurde von diesem 'Dynasten' am häufigsten für die Vorderseiten verwendet. Die Rückseite dieser Münze trägt als Hauptbild einen Triskeles, außerdem einen Delphin als Beizeichen, der die Münze wohl nach Zentrallykien weisen dürfte, wo Delphine auch als Hauptbild auf Münzen auftauchen. Die hier vorhandene Legende lautet M I TH R in lykischen Buchstaben, sicherlich handelt es sich um den Anfang des Namens des Mithrapata. Die Münze wurde höchstwahrscheinlich in Zagaba geprägt. Dieser Ort war vermutlich mit der Siedlung auf dem Avsar Tepesi identisch.

Privatbesitz; vgl. den Stater SNG v. Aulock 4241, 1, 38g

Um 360 v. Chr. brechen die Münzemissionen der lykischen Dynasten ab, vielleicht weil diese beim großen Satrapenaufstand auf der Seite der Verlierer gestanden hatten und infolgedessen entmachtet wurden. Nur die griechische Kolonie Phaselis, die in Lykien vor der Provinzgründungd urch Claudius stets eine Sonderstellung innehatte, prägt kontinuierlich weiter. Im Hellenismus paßt sich Phaselis den üblichen Prägungen der hellenistischen Koine an.

Die hier dargestellte Tetradrachme nach attischem Standard zeigt auf der Vorderseite Herakles mit den Zügen Alexanders des Großen, auf der Rückseite Zeus Lykaios, thronend mit Szepter und Adler, sowie die griechischen Legenden ALEXANDROY und PH(aseleiton). IB gibt die Datierungnach einer wohl 221/20 beginnenden Ära an, weist die Münze demnach ins Jahr 210/9 v. Chr.

Privatbesitz; vgl. Heipp-Tamer Nr. 237, 15, 59 g.

Die selbständigen Prägungen zur Zeit des Lykischen Bundes (168 v. Chr. - 43 n. Chr.)

Nach dem 3. Makedonischen Krieg erhält Lykien, das seit dem Frieden von Apamea 188 v. Chr. unter rhodischer Herrschaft gestanden hatte, von den Römern seine Unabhängigkeit. Der Lykische Bund, die übergreifende Organisation der Poleis, schafft ein einheitliches Erscheinungsbild der Silber- und Bronzemünzen, wobei jedoch jede Polis ihr eigenes Münzrecht behält. Die Münzen passen sich im Typ den rhodischen Drachmen an; der Kopf des Helios wird freilich durchden des Apollon oder der Artemis, die rhodische Rose durch die Kithara bzw. Bogen und Köcher ersetzt.

Typen: Vs.: Kopf des Apollon oder der Artemis (vereinzelt auch Ehrenprägungen für römische Herrscher); Rs.: Meist Kithara, oft mit Beizeichen; Legende LYKION und Kürzel der prägenden Polis.

Rechts eine Drachme wohl der Stadt Kyaneai aus der Zeit von 167 v. Chr. - Ende 2. Jh. v. Chr. (Troxell: Periode II, Serie 1). Die Vorderseite trägt den belorbeerten Kopf des Apollon, des in Lykien beliebtesten männlichen Gottes. Hinter der Schulter erkennt man Bogen und Köcher. Ein weiteres Attribut des Gottes bietet mit der Kitharadie Rückseite, welche wie die rhodischen Drachmen ein Quadratum incusum aufweist - dies ist eine weitere Parallele der meisten lykischen Bundesprägungen zur Währung der einst sicherlich unbeliebten Rhodier. Die Legende lautet LYKION und KY(ANEITON). LYKION verweist auf die Mitgliedschaft Kyaneais im Lykischen Bund. Das Symbol der Weintraube verweist auf ein wichtiges Agrarprodukt auf dem Gebiet von Kyaneai.

Paris; Troxell 8.3, 2, 68 g.

Rechts eine Drachme des Lykischen Bundes im römischen Denar-Standard zu Ehren des Augustus (Troxell: Periode IV). Der Kopf des Princeps (Vs.) steht zwischen den Buchstaben LY(KION). Die Rückseite zeigt ein Kerykeion zwischen zwei Kitharen sowie die Legenden TLO für die prägende Stadt Tlos und KR für den Distrikt Kragos, in dem Tlos lag.
London; BMC Lycia 1935; Troxell 114.2, 3, 51 g.

Lykische Münzen unter Gordian III. und Tranquillina (242 - 244 n. Chr.)

Nach einer zweihundertjährigen Unterbrechung beginnen zwanzig lykische Städte (merkwürdigerweise ohne Xanthos, Pinara und Telmessos), unter der Herrschaft Gordians III. (238 - 244 n. Chr.), wieder Bronzemünzen zu prägen. Für diese Prägeerlaubnis, die unter Gordians Nachfolger Philippus Arabs sofort wieder verlorenging, gibt es bis jetzt keine hinreichende Erklärung.
Typen: Vs.: Büste des Gordian oder seiner Frau Tranquillina; Rs.: Gottheiten, oft mit engem Bezug zur prägenden Stadt.

Ein typisches Beispiel für diese Charakterisierung: Eine Bronzemünze aus Kyaneai. Vs.: Büste des Gordian mit Lorbeerkranz, Rs.: Apollon Thyrxeus steht vor einem Quellbecken auf einem Berg, überdas er mit der rechten Hand einen Zweig mit Bändern hält, in der gesenkten linken Hand ein Bogen. Darum die Legende KYANEITON XPHSMOS.

18,29g; BMC 11


Literatur:

  1. H. v. Aulock, Die Münzprägung des Gordian III und der Tranquillina in Lykien, IstMitt Beih. 11, Tübingen 1974
  2. H. A. Troxell, The Coinage of the Lycian League, New York 1982
  3. J. Zahle, Achaemenid Influences in Lycia (Coinage, Sculpture, Architecture). Evidence for Political Changes during the 5th Century B.C., in: H. Sancisi-Weerdenburg/A. Kuhrt (Hg.), Achaemenid History VI: Asia Minor and Egypt: Old Cultures in a New Empire, Leiden 1991
  4. Chr. Heipp-Tamer, Die Münzprägung der lykischen Stadt Phaselis in griechischer Zeit (Saarbrücker Studien zur Archäologie und Alten Geschichte 6), Saarbrücken 1993
  5. M. Matzke, Lykische und nicht-lykische Münzen, NNB Juni1997, 251 - 259 (einführend)
  6. F. Kolb / W. Tietz, Zagaba: Münzprägung und politische Geographie in Zentrallykien, Chiron 31, 2001, 347-416