Julian Klinner, M.A.

Julian Klinner (er/ihm) ist seit Januar 2023 Doktorand am Deutschen Seminar der Universität Tübingen. Zuvor studierte er in Freiburg i.Br., Tübingen und Aix-en-Provence Philosophie, Kunstgeschichte (B.A.) sowie Literatur- und Kulturtheorie (M.A.). Seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Zeitschriftenforschung, intellectual history der Bundesrepublik, Urbanistik der Moderne und politische Ökologie.

Promotionsprojekt

Zeitgenossenschaft mitschreiben. Der Rutschky-Kreis und die Zeitschrift Merkur 1979-2011

Die Selbstwahrnehmung einer Gesellschaft in Echtzeit spielt sich vornehmlich in der stets mitlaufenden Medienöffentlichkeit ab. Die publizistische Repräsentation und Verarbeitung von Ereignissen bildet so seismographisch eine Dokumentation dessen, was wir aus größer werdender Distanz in das Raster historischer Zeit einordnen. Wie Schreibende das gesellschaftliche und kulturelle Geschehen begleiten, geht jedoch nicht im objektiven Quellenwert der Texte auf. Vielmehr greifen Autor:innen durch ihre zeitgenössische Textproduktion der späteren Historisierung immer schon mit eigenen Perspektiven vor. Was heißt es, Zeitgenoss:in einer bestimmten ‚Epoche‘ zu sein und wie prägen die Analysen und Interpretationen bestimmter Deutungsgeber:innen unsere Sicht auf die jüngste Vergangenheit? Diese Fragen stellt mein Promotionsprojekt an die Geschichte des seit 1947 kontinuierlich erscheinenden MERKUR, der „Zeitschrift für europäisches Denken“. Als Fallstudie zur Geschichte einer der prestigeträchtigsten Kulturzeitschriften der Bundesrepublik zwischen 1979 und 2011 behandelt mein Projekt den Intellektuellenkreis um Michael (1943-2018) und Katharina Rutschky (1941-2010) sowie Kurt Scheel (1948-2018). Meine Ausgangsbeobachtung ist dabei, dass die Publizistik des Rutschky-Kreises Formen von ethnographischer Alltagsreflexion, soziologisch-literarischer Popkulturanalyse und Literaturkritik zu einem Narrativ ‚der‘ Bundesrepublik verschweißt. Struktur, Diskursproduktion und Nachwirkung des Rutschky-Kreises sind daher neben der durch die Texte ‚mitgeschriebenen Zeitgenossenschaft‘ auch erhellend für die Frage, wie ein bestimmter Intellektuellentypus nach 1968 ein deutungspolitisch zentrales Medium mit nationaler Reichweite besetzen und durch selektive Statuierung von Thesen, Kontexten und Wertungen seine Sicht auf die Bundesrepublik normalisieren konnte. 

Publikationen