Slavisches Seminar

Textabdrücke, Veranstaltungen 2009

Translators in Residence Sommer 2009: Doreen Daume und Andrzej Kopacki

Pressestimmen

 

Ulrike Pfeil

Eine Literatur-Gattung im Schatten

 

Am vergangenen Wochenende hat Doreen Daume in Klagenfurt für ihr Gesamtwerk den Österreichischen Staatspreis für literarisches Übersetzen entgegengenommen. Den Feuilletons war es höchstens eine kleine Notiz wert. Das sagt schon viel über den Status dieser Autoren, die mit zwei Sprachen arbeiten und ohne die fremdsprachige Literaturen gar nicht zu entdecken wären.

 

Ja, auch Übersetzer sind Autoren, betonen die Österreicherin und ihr polnischer Kollege Andrzej Kopacki. Beide arbeiten zur Zeit als Gastdozenten auf Zeit am Slavischen Seminar der Uni Tübingen mit Studenten an Fragen des Übersetzens, ein akademisches Vorprogramm der „Ersten Tübinger Übersetzerwoche.“

 

Daume ist begeistert von den sprachlichen Fähigkeiten ihrer Polnisch-Studenten. Theaterstücke hat sie ihnen mitgebracht, „Die Elchjagd“ von Michal Walczak, einem jungen Warschauer Theaterautor, „Daily Soup“ von dem Autorenduo Amanita Muskaria, „eine klaustrophobe Familientragödie, alle haben es schon erlebt“.

Ein bisschen spekuliert Daume auch darauf, von den Studenten selbst ein wenig Jugendsprache mitzubekommen. Und es funktioniert: „Meine Übersetzung schaut blass aus gegenüber ihrer“, stellt sie zufrieden fest. Obwohl es für die meisten Studenten die erste Erfahrung mit Übersetzen war, hätten sie sofort kapiert, dass sie „nicht am Text kleben“, sondern umgangssprachliche Entsprechungen finden sollten. Fürs Theaterstück mag die Gruppenarbeit produktiv sein. „Einen wirklich poetischen Text will man nicht mit anderen abstimmen“, sagt Daume. Weil die Übersetzung eben „eine wirklich eigene Kreation in der Zielsprache“ ist, wie Kopacki unterstreicht.

„Treu und schön“ soll eine Übersetzung sein, und Kopacki, selbst Lyriker, zieht als Übungsmaterial gern Gedichte heran, weil dort auch in der Übersetzung „etwas Ganzes, Geschlossenes“ entstehen muss. Ton, Inhalt, das Alter des Autors, die sprachlichen Tricks, die Epoche, das lyrische Ich, all das muss jenseits der getreuen Wort-Wiedergabe mitschwingen. Gerne zitiert Kopacki den kolumbianischen Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez. Der meinte, die englische Übersetzung von „Hundert Jahre Einsamkeit“ sei besser als sein spanisches Original.

Die Anerkennung des Übersetzens als eigene literarische Gattung, nichts weniger vertritt Kopacki. Auch eine ausgezeichnete Übersetzung könne schließlich als Klassiker kanonisiert werden. Und ebenso wie das Schreiben ist das Übersetzen „ein sehr einsamer Job“. Bestimmt tausend Seiten, sagt Kopacki, habe er „in die Schublade übersetzt“, immerhin, er konnte ein paar deutsche Autoren in Polen bekannt machen. Bei Insidern – denn „die literarische Kritik bespricht eher amerikanische Romane“.

 

Eindrücke von den Workshops, SS 2009

29. Juni 2009: Eröffnung der Übersetzerwoche (Schloss Hohentübingen)

30. Juni 2009: Amanita Muskaria, Reise nach Buenos Aires (LTT)

1. Juli 2009: Shakespeares sprachskeptischer Sprachzauberkessel von Frank Günther (LTT)

Der Papyrotechniker

von Wilhelm Triebold

Er sei „der erste Mensch der Welt, der alle Werke Shakespeares ins Deutsche übersetzt hat“, preist LTT-Dramaturgin Inge Zeppenfeld den Gast. Tatsächlich ist Frank Günther in diesem Jahr beim 39. (und letzten) Opus des größten Dramatikers der Weltliteratur angelangt – wobei nicht ganz klar ist, was nun wirklich von Shakespeare stammt und was nicht. Eines dagegen dürfte sicher sein: Was von Günther ist, das ist von Günther. Und von Shakespeare, wie Frank Günther ihn sich zurecht reimt.

Mit immensem Bildungs- und Wissenshintergrund, mit den (Folter-)Werkzeugen der Philologie, aber auch mit dem unverstellten Blick und dem wachen Sachverstand des Nicht-Nur-Akademikers. Günthers Shakespeare ist so erfrischend und verblüffend, dass die Theater immer öfter und überzeugter – unter zumeist großer Auswahl – zu seinen Versionen und Varianten greifen. Dass der Übersetzer außerdem noch ein famoser Komiker und Entertainer ist, das stellte Frank Günther am Mittwochabend in der LTT-Werkstatt unter Beweis.

Dass der Übersetzer außerdem noch ein famoser Komiker und Entertainer ist, das stellte Frank Günther am Mittwochabend in der LTT-Werkstatt unter Beweis. Ein Feuerwerk an Witz brannte er ab; an Wort-, Wahnund Irrwitz, denen sich ein besserer literarischer Übersetzer im solistischen Schreibtisch-Dasein offenbar ausliefert.

Der über die Bühne tigernde Papyrotechniker, das viele alte Papier, das er um sich häuft, zu Lust und Leben erweckend: Schon lange wurde man im LTT nicht mehr so gut unterhalten. Kaum verhülltes Sexualverbalverhalten in „Romeo und Julia“; verschiedene Reim-Doppelböden im „Sommernachtstraum“, die Günther zwischen Wilhelm Busch, Rilke und Friederike Kempner, dem „schlesischen Schwan“, herumspringen lassen; dazu die Nöte der Käthe mit dem Narren Probstein: Günther findet zahllose wunderbare Beispiele, warum dies auch die närrischen Nöte des Übersetzers sein müssen, die ihn dann in einen virtuos-dadaistischen Nonsens-Wahnsinn treiben.

2. Juli 2009: Vortrag von Burkhart Kroeber (Schloss Hohentübingen)

 

Burkhart Kroeber und das Übersetzen

 

Seine fulminante Initiation als Literatur-Übersetzer mit Ecos Weltbestseller ließ Burkhart Kroeber im Tübinger Schloss beiseite. Mit den rund 50 Zuhörern konzentrierte er sich vor allem auf Werkstattüberlegungen, sprachliche und stilistische Wechselbeziehungen zwischen Italienisch, Englisch und Deutsch, zwischen Alessandro Manzoni und Charles Dickens.

Kroeber zitierte die Berliner Akademie-Rede des Philosophen Friedrich Schleiermacher aus dem Jahr 1813, der zwei Extrempole des literarischen Übersetzens ausmachte: „Entweder der Übersetzer lässt den Schriftsteller möglichst in Ruhe und bewegt den Leser ihm entgegen, oder er lässt den Leser möglichst in Ruhe und bewegt den Schriftsteller ihm entgegen.“

Für den erfahrenen Übersetzer gilt dieser Gegensatz in der Realität am Schreibtisch nicht – oder nicht mehr. „Es handelt sich eher um zwei Register, zwei Gestimmtheiten des Übersetzens, die sich in der Praxis beständig mischen.“ Sie als absolut getrennt zu betrachten, wäre laut Kroeber so kurios wie die Annahme, den Tonarten Dur und Moll würden zweierlei Formen des Komponierens entsprechen.

[…]

Kroeber selbst verlangt manchmal von seinen Lesern, „eine gewisse Fremdheit in Kauf zu nehmen“ wie bei seiner Fassung von Manzonis Meisterwerk „Die Brautleute“. Darin versucht er, dessen schwingenden, aber verschachtelten Satzbau möglichst genau nachzubilden – und musste dabei gegen die deutsche Syntax anarbeiten. Es bleibe eine schwierige Balance: „Den Leser nicht abzuschrecken, dass er das Buch genervt aus der Hand legt“.

 

4. Juli 2009: Schrottengel und Petr Zelenka (LTT)

5. Juli 2009: Übersetzermatinée (Hölderlinturm)

Translators in Residence Herbst 2009: Gabriele Leupold und Anna Schibarowa

Lesung im Hölderlinturm, 20. November 2009

Übersetzungswerkstatt mit Gabriele Leupold, Herbst 2009

Übersetzungswerkstatt mit Anna Schibarowa