Zentrum für Islamische Theologie (ZITh)

Historische Berührungspunkte von Mystik und Systematischer Theologie

„The Relationship between Sufism and Kalam: Knowledge of God and Divine Predestination“ – ein Vortrag von Dr. Harith Bin Ramli

Von Redoine Baghdadi


In seinem Gastvortrag vom 16. Juni 2015 ging der Referent Dr. Harith Bin Ramli (Cambridge Muslim College) der Frage nach, inwieweit in der Entstehung der islamischen Gelehrsamkeit der Zweig des taṣawwuf (Islamische Mystik) mit der Disziplin des kalām (Systematische Theologie) historisch zusammenhängt. Der Vortrag fand im Rahmen des Seminars „Systematische Theologie und Philosophie“ von Frau Professorin Lejla Demiri statt.


Oftmals werden diese beiden Disziplinen als gegensätzlich und einander ausschließend angesehen. In seiner Präsentation unternahm Dr. Bin Ramli den Versuch, die Entwicklung beider Disziplinen historisch nachzuzeichnen und herauszuarbeiten, inwieweit Berührungspunkte, aber auch Konflikte auszumachen sind. Weiterhin ging er den Fragen nach, inwieweit die zunächst als gegensätzlich wahrgenommenen Teildisziplinen sich gegenseitig bedingten, ob diese zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich hierarchisiert wurden und ob Entwicklungsphasen erkennbar sind. Zunächst hob der Referent die Problematik unterschiedlicher Wissensquellen hervor, derer sich diese Disziplinen bedienen und gab hierfür Beispiele an. Auch führte er aus, dass vor allem in der frühen Phase der Entstehung dieser Disziplinen die jeweiligen Vertreter skeptisch gegenüber dem jeweils anderem Denksystem waren. So hatten die mutakkallimūn sich beispielsweise dem Mystiker Ḥallāğ skeptisch und kritisch gezeigt, während die mutasawwifūn die mutakkallimūn ebenfalls heftig kritisierten. In der frühen Phase des Islam mussten beide Disziplinen mit regelmäßigen Vorwürfen der Häresie (bidʿa) umgehen, welche ihnen wiederum seitens der ʿulamāʾ herangetragen wurde. In seinem sehr aufschlussreichen und spannenden Vortrag, der einen Überblick über unterschiedlichen Akteure in unterschiedlichen Epochen und Regionen darstellte, fokussierte sich Dr. Bin Ramli auf zwei der prominenten Streitpunkte der beiden konkurrierenden Disziplinen: Dem Wissen über Gott und Seine Eigenschaften sowie dem Problem der (göttlichen) Vorherbestimmung.


Dr. Harith bin Ramli forscht derzeit am Cambridge Muslim College weiter über die Geschichte des frühen islamischen Denkens und legt seinen Schwerpunkt auf die Entstehung und Genese der islamischen Mystik (taṣawwuf) und ihrem Verhältnis zur Systematischen Theologie (kalām). Dr. Bin Ramli hatte im Jahre 2012 an der University of Oxford zum Werk des Sufi-Gelehrten Abū Ṭālib al-Makkī (gest. 996) und dessen Werk “Qūt al-qulūb” promoviert. In den Jahren 2012 bis 2014 lehrte er die Fächer Sufismus und Islamische Theologie an der SOAS in London, sowie an der University of Nottingham.