Zentrum für Islamische Theologie (ZITh)

Das Gefängnis als Ort der islamischen Seelsorge

Exkursion des Seminars "Seelsorge im Islam - Herausforedung der praktischen Theologie in pluralisitischer Gesellschaft" zur JVA Stuttgart-Stammtheim

Von Dr. Abdelmalek Hibaoui

Im Rahmen des Seminars: „Seelsorge im Islam - Herausforderung der praktischen Theologie in pluralistischer Gesellschaft“ unternahmen 17 Studierende am 30. Mai 2016 unter Leitung von Dr. Abdelmalek Hibaoui eine Exkursion zur JVA Stuttgart-Stammheim.

Die JVA- Stuttgart/ Stammheim ist auf 500 Gefangene ausgelegt, muss aktuell jedoch über 745 Gefangene zwischen 14 und 70 Jahren unterbringen. Alle Gefangene sind in Untersuchungshaft. Besonders überraschend für die muslimischen Studierenden war die Tatsache, dass 40% der Inhaftierten muslimische Wurzeln haben. Die Studierenden hatten die Möglichkeit, sich eine freistehende Zelle von innen anzusehen, welche bei fast jedem Studierenden Unbehagen hinterließ. Die Zelle war klein. Ein Bett, ein Schreibtisch, darüber ein kleiner Fernseher und rechts daneben ein kleiner Schrank, befanden sich darin. Direkt neben der Tür standen ein Waschbecken und eine Toilette ohne Klobrille. Außerdem befand sich noch ein vergittertes Fenster in der Zelle. Bis zu 23 Stunden verbringt ein Gefangener in seiner Zelle.

Die Studierenden hatten dann ein klassisches Gefängnis gesehen, so wie man es aus Hollywoodfilmen kennt: Mehrere Stockwerke, ein sehr breiter Flur, Netze gespannt, damit keiner sich von oben hinunter wirft und auf den harten Betonboden prallt. Zum Schluss folgte die Begegnung mit den Fachdiensten: evangelische und kathotlische Seelsorge und Sozialdienst.

Die Seelsorger betonten, dass nach Artikel 4 des GG das Recht auf Ausübung der Religionsfreiheit auch für die Gefangenen gilt. Somit stehen Bibel, Koran, Rosenkränze, Gebetsketten und Gebetsteppiche zur Verfügung. Jeder Gefangene hat das Recht, zu den Vertretern der eigenen Glaubensrichtung zu gehen, an Gottesdiensten und Freitagsgebeten teilzunehmen.(Diese werden seit einigen Jahren von beauftragten Imamen des Türkischen Konsulates durchgeführt; seit zwei Monaten wird für junge Gefangene ein Freitagsgebet zusätzlich von der VIKZ Moschee Stuttgart durchgeführt)

Der Bedarf an muslimischen Seelsorgern in Gefängnissen ist offenkundig und von großer Bedeutsamkeit. Die Fachdienste berichteten, dass aufgrund von fehlendem Wissen über den Islam sie nur unzureichend Zugang zu religiösen Fragen von Gefangenen finden. Und so hieß es, dass „ein muslimischer Gefängnisseelsorger/ -seelsorgerin ein Segen vor allem für die muslimischen Gefangenen wäre!“.

Hieraus entwickelte sich eine Kooperationsvereinbarung zwischen der JVA Stuttgart-Stammheim und dem ZITh: Die Studierenden des neuen Masterstudiengangs „Islamische Praktische Theologie für Seelsorge und Soziale Arbeit“ können in der JVA Seelsorgepraktika ableisten. Das Aufgabenfeld umfasst folgende Themen: Wertevermittlung, kontextuelle Glaubensvermittlung, kulturelle Vielfalt in einer pluralistischen Gesellschaft und Prävention vor Radikalisierung. Hierbei dienen die Studierenden der Islamischen Theologie als Brückenbauer. Die Masterstudierenden werden im Rahmen des Pilotprojektes „Gefangene für Gefangene“ in Gesprächskreisen Gefangene als Multiplikatoren schulen, die dann die erarbeiteten Inhalte an andere muslimische Gefangene weitervermitteln. Dieses Projekt wird dann im ZITh kritisch evaluiert.