Thomas Kugler
Forschungsprojekt
Betreuung: Prof. Dr. Enders, Prof. Dr. v. Herrmann, Prof. Dr. Zaborowski
Das Forschungsprojekt richtet seinen Augenmerk auf die Physikalismusdebatte in der Neurowissenschaft – auch hinsichtlich der Determinismusfrage (als Wesensfrage) des Menschen, die sich daraus ergibt.
In einem gesonderten Kapitel soll der Verlauf der Entwicklung der Hirnforschung von den kybernetischen Anfängen bis hin zu dem groben gegenwärtigen Stand der Diskussion skizziert werden.
Wichtig in der Betrachtung der Ergebnisse der Hirnforschung soll dabei die Frage sein, in welcher Weise diese in einem Bezug zu einer physikalischen Basis stehen, was man logisch fragen muss, wird doch ständig auf den „naturwissenschaftlichen“, „materiellen“ oder explizit „physikalisch-physiologischen“ Grund verwiesen.
Dabei fällt auf, dass große Lücken in der einhelligen Erklärung zu diesem physikalischen Grund bleiben. Bei genauerer Betrachtung fällt aber auf, dass diese Lücken fundamentaler Art sind, geht es doch in diesen Punkten um keine Randprobleme, sondern letztendlich um die Berührungspunkte von Physischem zu Mentalem und damit finden wir uns auf dem Boden philosophischer Gedankengänge.1
Insbesondere ist dem Gedankengang nachzugehen, dass normalerweise zu jeder spezifischen Wissenschaft eine ganz spezifische Vorstellung von dem gehört, was gemäß dieser unter „Wirklichkeit“ zu verstehen ist. Beispielsweise kommt der modernen Physik eine Wirklichkeitsauffassung oder ein Wirklichkeitsbegriff zu, bei dem das Seiende in jeweiliger Weise den Charakter eines zu beschreibenden Objektes hat. Wird der beschreibende Charakter als Beschreibung einer grundlegenden Basis angesehen, so müssen Wissenschaften, die sich derer als Grundlage ihres eigenen Theoriegebäudes bedienen, dieses durch einen Rückbezug auf die Wissenschaft der Physik rechtfertigen. Bedient sich, wie in unserem Falle die Hirnforschung dieser Basis, so bedeutet dies, dass sie diesen angenommenen Basischarakter des Wirklichkeitsbegriffes durch einen Rückbezug auf die Grundlagen des Aufbaues der Physik darlegen muss – und dies mit aller notwendigen Strenge, die eben in diesen Grundlagen steckt. Darüber hinaus wird es in umfangreicher Weise Ziel dieser Untersuchung sein, phänomenologisch anzudeuten, dass auch die Physik selbst in ihren Grundlagen einem anderen Verstehen bedürftig ist, dass das objektivierende Verstehen kein ursprüngliches Verstehen ist. Ursprünglich nicht in der Form eines Vergangenen, das zwar noch historische Abhandlungen zu füllen in der Lage ist, sondern ursprünglich in der Form eines sich immer wieder in geschichtlichen Momenten neu Eröffnenden.
Wissenschaftstheoretisch wurde zumindest in einer Annahme „naiver“ Geschichtlichkeit dies von Popper und Kuhn in fruchtbarer Weise gesehen und in die Diskussion eingespielt, jedoch wurden die Versuche des Meßkircher Religionsphilosophen Bernhard Welte, der genau dies in seinem Dialog mit dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz anzustoßen versuchte, viel zu wenig beachtet – wahrscheinlicher vielleicht sogar gar nicht richtig verstanden.
Den Versuch werden wir – neben einigen fachwissenschaftlichen Betrachtungen, die die bestehende Krisis erst verdeutlichen sollen – anhand der Schrift „Determination und Freiheit“ in denkerischer Weise fortzuführen suchen – zuerst jedoch in dem Zeigen, dass dem objektivierenden Verstehen primäres Verstehen zugrunde liegt, und zwar dies in unerlässlicher Art und Weise.
Dabei sollen die Ergebnisse der Hirnforschung selbst nicht angegriffen werden, der Erfolg wird als Forschungszweig voll anerkannt. Es geht hier vielmehr um das Nachvollziehen der gedanklichen Grundlagen und der Aufdeckung geschichtlicher Defizienzen der Grundlagen.
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1 Vgl. die Annahmen Descartes
Ausbildungsverlauf:
Studien in Medizin, Physik, Philosophie und Religionsphilosophie an der Universität des Saarlandes und den Universitäten Konstanz, Freiburg und Siegen.Kooperation in verschiedenen Projekten („Hermeneutic Phenomenology in tension with Philosophy of Science“) mit Universitäten in Amerika (Fordham), Australien (USNW, USYD) und Dänemark (RU). Mitglied in der Martin-Heidegger-Forschungsgruppe.