Schützen und Nutzen – ein Widerspruch? Nachhaltige Entwicklung an UNESCO-Welterbestätten
Maike Weynand, Diana Grundmann, Thomas Potthast
Wie können UNESCO-Welterbestätten zur Nachhaltigen Entwicklung beitragen und wie können sie dabei sowohl geschützt als auch erfahrbar gemacht werden? Im Mittelpunkt des praxisorientierten Projekts steht die Auseinandersetzung damit, wie beide Zieldimensionen Nachhaltiger Entwicklung an Welterbestätten umgesetzt und evaluiert werden können.
Das von Mai 2021 bis April 2022 laufende Vorhaben findet im Auftrag von und Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg statt und fokussiert die „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“, welche seit 2017 in die Welterbeliste der UNESCO eingetragen sind. Ziel ist – in enger Kooperation mit Praxisakteur*innen vor Ort – eine Analyse laufender Nachhaltigkeitsaktivitäten sowie Vorschläge zur Verankerung von Nachhaltiger Entwicklung im Managementplan und zum Monitoring zu entwickeln.
Um in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen zu werden, muss der Stätte ein universeller Wert (outstanding universal value) zugesprochen werden. Damit wird die Einzigartigkeit (Authentizität) und die Unversehrtheit (Integrität) der Stätte als etwas Schützenswertes herausgestellt und die Stätte zum ideellen Eigentum und Erbe der gesamten Menschheit gegenwärtiger und zukünftiger Generationen erklärt. Welterbestätten bieten großes Potential hinsichtlich der Stärkung lokaler, nationaler und internationaler Gemeinschaften und Kooperationen. Es geht darum, in der Verwaltung der Stätten für deren Schutz und Erhaltung zu sorgen und zugleich das Erbe für Interessierte zugänglich und erfahrbar zu machen. Darüber hinaus kann der Welterbe-Titel zu einer Aufwertung und Entwicklung der umliegenden Region beitragen. Als Treibern regionaler Entwicklung kommt den Stätten damit eine weitere Bedeutung und Aufgabe zu: bei der Umsetzung globaler wie nationaler Nachhaltigkeitsziele (SDGs/Agenda 2030) mit gutem Beispiel voranzugehen.
Die Welterbestätte „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“ zeichnet sich durch die Einzigartigkeit ihrer Funde aus – bisher die weltweit ältesten gefundenen Zeugnisse mobiler figürlicher Kunst – mitsamt den Karsthöhlen, wo sie entdeckt worden sind. Die dezentrale Lage der sechs Höhlen innerhalb des Lone- und Achtals machen das Management zu einer Herausforderung, bei der die Einbeziehung aller beteiligten Akteur*innen und der stetige Austausch unabdingbar sind. Dazu gehören neben dem Landesamt für Denkmalpflege, welches eine übergeordnete Schutz- und Vermittlungsfunktion einnimmt, die beteiligten Gemeinden, welche größtenteils Eigentümer*innen der Höhlen sind, Anwohnende sowie zahlreiche Akteur*innen aus der archäologischen Forschung, Tourismusbranche, Regionalentwicklung, Museumspädagogik, Land- und Forstwirtschaft, Ehrenamt und dort, wo es Überschneidungen gibt, aus dem UNESCO-Global Geopark und dem UNESCO-Biosphärengebiet der Schwäbischen Alb.
Mithilfe von Interviews mit Personen der genannten Akteursgruppen wird herausgearbeitet, welches Verständnis von Nachhaltiger Entwicklung die Arbeit in den verschiedenen Bereichen rund um die Welterbestätte prägt, was im Sinne einer NE bereits umgesetzt werden konnte und wo es Veränderungs- bzw. Entwicklungsbedarf gibt. Auf diese Weise können Zielkonflikte, welche sich aus den unterschiedlichen Anliegen und Interessen der Akteur*innen, aber auch an den zum Teil miteinander in Konflikt stehenden SDGs heraus ergeben, sichtbar gemacht werden. Ein zentraler Konflikt betrifft beispielsweise die Frage danach, inwiefern die Höhlen geschützt werden und zugleich zugänglich für Besuchende bleiben können. Wer trägt Verantwortung, welche finanziellen Mittel stehen zur Verfügung und wie können Besuchende als aktiver Part eingebunden werden und im Sinne nachhaltiger Tourismuskonzepte mehr für die Thematik sensibilisiert werden? Neben Zielkonflikten werden auch Synergieeffekte identifiziert, die wiederum für das zukünftige Management von Nutzen sein können, beispielsweise im Bereich Bildung für Nachhaltige Entwicklung.
Im Rahmen des Tübinger Nachhaltigkeitszertifikats Studium Oecologicum wurde zudem im Januar 2022 ein Blockseminar durchgeführt, in dem sich Studierende mit der Frage nach Anknüpfungspunkten zwischen Welterbe und Nachhaltiger Entwicklung beschäftigt haben. Bei der dazugehörigen Exkursion ins Achtal kamen die Studierenden vor Ort in unmittelbaren Kontakt mit der Welterbestätte und auch Nutzer*innen und haben im Anschluss daran in Form eines Planspiels zentrale Zielkonflikte insbesondere mit Bezug auf touristische Erschließungen bearbeitet, die sich im Management der Welterbestätte auf der Schwäbischen Alb ergeben.