Ingenious Crafts. The Mimicry of Substances in Mesopotamian Language and Thought, ca. 1750-500 BCE
Dr. Shiyanthi Thavapalan Förderer: Alexander von Humboldt Stiftung Beteiligte Institutionen: Eberhardt Karls Universität Tübingen Projektlaufzeit: 2020-2022
Im antiken Mesopotamien war der Wert von Luxusobjekten gewöhnlich eng verbunden mit der Vorstellung von Authentizität. Akkadische Texte spielen häufig auf die Echtheit von Materialien an und stützen sich auf verschiedene Kriterien – Herkunft, ästhetische und symbolische Eigenschaften, Wert – um dieses Konzept zu definieren. Als jedoch in der späten Bronzezeit Imitationstechnologien aufblühten, die günstigere Kopien ebenso schön erscheinen ließen wie die Originale, wurde diese Kultur der Authentizität in Frage gestellt. Anhand einer interdisziplinären Studie von Glas und Textilien im späten bronzezeitlichen Vorderen Orient (ca. 1750-500 v. Chr.) untersucht dieses Projekt die sich verändernden Einstellungen der Menschen gegenüber „echten“ Substanzen und ihren „Imitationen“ sowie die relativen wirtschaftlichen und sozialen Werte, die ihnen beigemessen wurden.
Bisherige Studien haben sich vor allem auf ökonomische Fragen in Bezug auf die antike Glas- und und Textilindustrie in der späten Bronze- und Eisenzeit konzentriert. Sie befassen sich zwar mit den Veränderungen in den Produktions- und Konsumgewohnheiten, ignorieren aber weitgehend die daraus resultierenden kulturellen und kognitiven Implikationen. Ingenious Crafts untersucht die Rolle von Materialität und sensorischer Erfahrung bei der Definition antiker Ästhetik im Hinblick auf Imitationstechnologien. Wenn die Schönheit von (künstlerischen) Objekten mit der Opulenz der verwendeten Materialien und ihrer meisterhaften Ausführung verbunden war, wie wurde folglich diese Vorstellung durch die Massenproduktion und Verbreitung von Nachahmungen beeinflusst?
Eng mit der Schönheit verbunden waren ebenfalls Vorstellungen von Luxus und Exotik: Die Seltenheit eines Farbstoffs oder die ferne Herkunft eines Steins verlieh solchen Materialien Prestige, das sich in sozialem Kapital niederschlug. Was geschah als die Grenzen zwischen diesen Vorstellungen verblassten, als Waren wie gefärbte Kleidungsstücke und „steinerner“ persönlicher Schmuck erschwinglicher und weniger selten wurden? Können wir einen Diskurs über Authentizität und die Echtheit von Materialien ausmachen, der sich in zeitgenössischen Texten widerspiegelt? Ein weiteres Ziel dieses Projekts ist, mesopotamische Ideen über Nachahmung (sowie verwandte Konzepte wie Künstlichkeit, Idealität, Ähnlichkeit und Alterität) für den bestehenden Diskurs über Mimesis zu erschließen, der weitgehend von den auf Aristoteles und Platon zurückgehenden westlichen Traditionen dominiert wird.