Universitätsbibliothek

„Der Doktorhut steht immer gut […]“

Jahrhundertelang wurde dieser Hut allerdings Frauen vorenthalten, weil sie sich nicht an den Universitäten immatrikulieren durften. Die Universitäten auf deutschem Boden verstanden sich als Bildungsstätte für die männliche Jugend. Die Verbesserung der Mädchenbildung im Deutschen Kaiserreich hatte zur Folge, dass Ende des 19. Jahrhunderts vereinzelt Frauen um die Zulassung zum Studium nachsuchten. 1892 war es endlich so weit: Der Senat der Universität Tübingen ließ Maria von Linden als erste außerordentliche Studentin zu. Im Jahr 1904 folgte dann der Schritt hin zur Normalität. Gertrud Stockmayer, Martha Vollmöller und Anna Stettenheimer, drei Absolventinnen des Stuttgarter Mädchengymnasiums durften sich an der Universität als erste ordentliche Studierende einschreiben. 
Gertrud Stockmayer kam am 04. Februar 1880 in Stuttgart zur Welt und besuchte das Katharinenstift und die Höhere Töchterschule in Stuttgart. Von 1897 bis 1899 hörte sie als Hospitantin an der Technischen Hochschule und dem Konservatorium Vorlesungen über Kulturgeschichte, Geschichte, Rechts- und Verwaltungskunde, Volkswirtschaftslehre und Literatur. Im Jahr 1900 entschloss sich die bereits 20jährige zum Eintritt in das 1899 gegründete Stuttgarter Mädchengymnasium. Mit Hedwig Dinkel, Anna Stettenheimer und Martha Vollmoeller gehörte sie zu den ersten Frauen, die 1904 in Württemberg als ordentliche Schülerinnen die Reifeprüfung ablegten. Im Anschluss    studierte sie Philologie und Geschichte und schloss das Studium 1908 mit der Promotion ab. 
Wie sah aber nun der Alltag der Studentinnen aus? Einblick in diesen gewährt der Teilnachlass von Gertrud Stockmayer, der im Universitätsarchiv unter Signatur UAT 403 verwahrt wird.  Im penibel geführten Haushaltsbuch finden sich neben Posten für kleinere und größere Vergnügungen auch Ausgaben für Wohltätigkeiten wie die Frauenbildung. Fotos erzählen von Ausflügen mit männlichen Kommilitonen, zahlreiche Tagebücher und Berichte lassen die Reisen im Sommer und Herbst lebendig werden.

Noch im Studium hatte Gertrud Stockmayer ihren späteren Ehemann den Mediziner Walther Pfeilsticker kennen gelernt. Nach ihrer Promotion heiratete sie und widmete sich fortan bewusst der Familie. Das Ende der Ehe durch Scheidung 1924 brachte finanzielle Engpässe mit sich, die dazu führten, dass sie ihren Töchtern kein Studium ermöglichen konnte. Bis zu ihrem Tod 1963 engagierte sich Gertrud Stockmayer unter anderem in der Frauenbewegung. 

Wer war Johann Christoph Tschanter?  Er wurde am 6. Februar 1683 in Greiffenberg (heute Gryfów Śląski) geboren, verlor früh beide Eltern, ging 1699 auf das Gymnasium in Zittau und schließlich 1703 an die Universität Leipzig, wo er schon zwei Jahre später seinen Magistergrad in Theologie erlangte. Er arbeitete als Pfarrer in Hirschberg (Jelenia Góra) und Niederwiese (Wieża Dolna). 

Wie kam er nun zu seinem außergewöhnlichen Dissertationsthema? In seiner Studienzeit war moralische Kritik am Gelehrtenstand ein beliebtes Thema sowohl für ernsthafte als auch satirische Publikationen. Diese Abhandlungen behandelten häufig das exzentrische Verhalten der Universitätsgelehrten, untermalt von historischen Anekdoten und klischeehaften Darstellungen. Hinzu kamen religiöse und ethische Aspekte, die darauf zielten, den Gelehrten ihre Laster auszutreiben.

Aber worum geht es nun in Tschanters Arbeit? Er beginnt seine Arbeit mit der Feststellung, dass das größte Vergnügen der Menschen das Tun im Schweiße des eigenen Angesichts zu sein hat.  Gemüter, die mit „Versäumung der höchstnötigen Pflege des Leibes, mehr Arbeit und Verrichtungen über sich nehmen, als sie in der Tat zu vollziehen und zu ertragen vermögend sind“ beschwören damit eine unfehlbare Verletzung der eigenen Gesundheit, und merkliche Verkürzung des zeitlichen Lebens herauf. Die Ursachen dafür seien viererlei: zu wenig Schlaf, falsche oder mangelnde Ernährung, wenig Bewegung und „was die Natur zu gehöriger Zeit abzuführen trachtet, mit Gewalt zurücke halten.“ 

So schreibt Tschanter beispielsweise, es gebe Gelehrte, die „weil sie das Studiren allzuhefftig lieben, die natürlichen Dinge zurücke halten, und daß sie nicht im Lesen oder Schreiben etc. Sich verweilen, damit so lange verziehen, als sie nur verziehen können.“ Die Folgen davon seien verheerend: „Denn durch gedachtes gewaltthätige Zurückehalten werden dieselben Glieder, vermittelst deren die Natur sich helffen wollen, öffters also geschwächet, daß, wenn man gleich nachgehends die Abführung der natürlichen Dinge sehnlich wünschet, solches nicht einmahl geschehen mag. So steigen auch von dem, was erwehnter Massen zurücke gehalten wird oder bey dem Menschen bleibet, dergleichen böse Dünste auf, die den gantzen Leib und vornehmlich das Haupt beschweren, die Lenden, wegen ausserordentlicher Hitze und Belästigung der Nieren, entkräfften, und die Verdauung stöhren und hindern. Hindert man aber die Verdauung, so entstehet kein rechter Nahrungs-Safft. Ist der Nahrungs-Safft nicht wohl beschaffen, so bekombt man verderbtes Geblüte, so empfängt der Leib nicht seinen gebührenden Unterhalt, und erfolgt demnach, ehe man sichs versiehet, ein allzufrühzeitiges und geschwindes Ende.”

 

Puh, Studieren war damals ganz schön gefährlich. Zum Glück gibt es genau deswegen aber die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten. Durch die verlängerten Öffnungszeiten der Cafeteria und das gemeinsame Frühstück entgeht ihr dem Ernährungsmangel, durch das Entspannungs- und Re-Mobilisierungsprogramm des Hochschulsports und des Studentischen Gesundheitsmanagements dem Bewegungsmangel und das Programm für kleine Denkpausen gibt euch die notwendige Ruhe. 

Auf dass ihr es auch durch die Nacht schafft!

Quellen

Luge, Johannes Gotthelf. Chronik der Stadt Greiffenberg in Schlesien. 1861, www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10013576?page=360%2C361.

Sari Kivisto. The Vices of Learning : Morality and Knowledge at Early Modern UniversitiesBrill, 2014. EBSCOhost, research.ebsco.com/linkprocessor/plink.

Tschanter, Johann Christoph. Historische Nachricht von Gelehrten Leuten die sich zu Tode studiret. Richter, 1722, www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11267214?page=%2C1.

Quellen der Bilder

Autorenbild: „Bildnis des Johann Christoph Tschanter“. Digitaler Portraitindex, illustriert von Gottfried Böhmer, 1738, www.portraitindex.de/bilder/zoom/sbb-015135

Titelblatt: Tschanter, Johann Christoph. Historische Nachricht von Gelehrten Leuten die sich zu Tode studiret. Richter, 1722, https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10448010?page=2%2C3