Universitätsbibliothek

Fotografien von Paul Sinner (1838-1925)

Zum Bestand der Universitätsbibliothek, mit dem man nicht unbedingt rechnet, gehört auch eine kleine Sammlung von Fotografien und Postkarten. Besonders spannend für Ortsansässige und Interessierte: Fotos aus Tübingen mit längst nicht mehr vorhandenen Bauten, Straßenzügen und Menschen aus der Zeit um 1865-1917. 

Viele dieser Fotos verdanken wir Paul Sinner, der vor 100 Jahren in Tübingen starb. Er war einer der ersten Tübinger Fotografen, der seinen Blick auf das Ländle und seine Menschen mit der damals neu erfundenen „Photographie“ festgehalten hat. Manche Fotos wirken heute wie eine Art Suchbild, auf dem man keine Fehler, sondern etwas Vertrautes sucht.

Die berufliche Laufbahn von Paul Sinner ist ungewöhnlich, zufällig und doch zielstrebig. In den Tübinger Blättern des 29. Jahrgangs 1938 erzählt Mathilde Sinner anlässlich des 100. Geburtstags von ihrem Vater. Paul Sinner musste auf Druck seines Vaters eine Bäckerlehre absolvieren, die er mit 16 Jahren abschloss. Nach der anschließenden üblichen Wanderschaft ging Paul Sinner seinem eigenen Interesse nach und machte eine Ausbildung zum Maschinenschlosser in einer Maschinenfabrik in Esslingen, wo er sich jedoch bald so schwer am Finger verletzte, dass er Sorge um seine berufliche Zukunft hatte. In einer Runde unter Freunden hatte einer die Idee, Sinner könne doch einen dritten Beruf erlernen, und zwar in der „Kunst der Photographie“. Paul Sinner hatte Glück und bekam eine Lehrstelle im Fotoatelier von Friedrich Brandseph in Stuttgart, die er 1862 erfolgreich abschloss.

Im Jahr 1864 kehrte Paul Sinner, frisch verheiratet mit Wilhelmine Kienle, nach Tübingen zurück und arbeitete zunächst mit Wilhelm Hornung zusammen. Der Schwerpunkt in dieser Zeit lag auf der Porträt- und Trachtenfotografie im Atelier in der Uhlandstraße. Sinners Ziel aber war die Selbständigkeit, welches er 1867 erreichte, als er das Haus in der Gartenstraße 7 kaufte und in ein Atelier umbaute. Zu seiner Geschäftsidee gehörte das Fotografieren außerhalb des Ateliers, indem er das für die Anfertigung erforderliche Dunkelkammerzelt und seine Laborausrüstung auf einer eigens dafür eingerichteten Kutsche zum Einsatzort transportierte. Mit seinen Bildern erlangte er überregionale Bekanntheit.

Paul Sinner verdanken wir durch seinen Einfallsreichtum und seine Geschäftstüchtigkeit die bildliche Erinnerung an schwäbische Baudenkmale und Kunstarbeiten, an unsere alte Landschaft, an ein früheres Tübingen mit seinen Baustellen, Umbauten und Abbrüchen, aber auch an Erdbeben- und Kriegsschäden. Sinner fotografierte 1870 sowohl Kriegsszenen in Strassburg und Umgebung als auch Kirchenglocken, die 1917 für Kriegszwecke eingeschmolzen wurden. Bilder von Universitätsgebäuden, den Räumen der Universitätsbibliothek auf dem Schloss sowie von Feierlichkeiten und Professorenporträts gehören wie selbstverständlich dazu.

Mathilde Sinner schreibt über den Tod ihres Vaters im März 1925: „Mit ihm war eine der markantesten Persönlichkeiten der Stadt dahingegangen“. Alle unsere Fotografien von Paul Sinner sind digitalisiert und online.

Quellen:

Hägele, Ulrich: Paul Sinner (1838-1925) Fotodokumentar, Kriegsreporter und Porträtist einer Stadt. In: Tübinger Blätter, 111.2025 (S. 16-21). UB-Signatur: L XV 198-111.
Leseprobe

Hesse, Wolfgang: Ansichten aus Schwaben: Kunst, Land und Leute in Aufnahmen der ersten Tübinger Lichtbildner und des Fotografen Paul Sinner (1838 - 1925). Tübingen, Metz, 1989. UB-Signatur: 32 B 555 u.a.

Sinner, Mathilde: Photograph Paul Sinner 1838-1925. In: Tübinger Blätter, 29.1938 
(S. 45-49). UB-Signatur: L XV 198.

Tübinger Chronik vom 27.10.1867 und 01.04.1925. UB-Signatur: L XV 42.4

Fotos

Ansichtskarten aus Tübingen

Bilddatenbank / Porträtdatenbank

Bildersammlung auf Digitü

Kriegsszenen aus Strassburg und Umgebung, September 1870

Sammlung schwäbischer Baudenkmale und Kunstarbeiten u.s.w. - OpenDigi

Tübingen und Umgebung 1877

Vierzehn Originalaufnahmen von den Räumen der Universitäts-Bibliothek auf dem Schloss in Tübingen (1912)

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