Am Abend des 20. Januar 2025 fanden sich trotz des kalten Wetters rund 200 Personen im Hörsaal 9 der Neuen Aula zum zweiten Vortrag des Kriminologisch-Kriminalpolitischen Arbeitskreises im laufenden Wintersemester ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das politisch, juristisch und ethisch heftig umstrittene Thema „Straftat Schwangerschaftsabbruch?“
Rednerin war Frau Prof. Dr. Liane Wörner, Inhaberin des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafrechtsvergleichung, Medizinstrafrecht und Rechtstheorie, sowie Direktorin des Zentrums für HUMAN | DATA | SOCIETY an der Universität Konstanz.
Nach einer kurzen Vorstellung der Referentin durch Herrn Prof. Dr. Jörg Kinzig leitete Wörner ihren Vortrag mit Überlegungen ein, ob und inwiefern die derzeitige Regelung des § 218 StGB reformiert werden müsse. Insbesondere ein Vergleich mit anderen Staaten der Europäischen Union zeige dringenden Handlungsbedarf: Nur Polen und Malta hätten ähnlich strenge Zugangsbeschränkungen zu Schwangerschaftsabbrüchen wie Deutschland. Solche Regulierungen führten zu einer Diskriminierung von Frauen und gebärfähigen Personen sowie zu Versorgungslücken. Diese träten einerseits durch den Mangel an medizinisch geschultem Personal auf, andererseits zeige sich die Diskriminierung im Fehlen einer ausreichenden Vermittlung der für die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Medizinstudium.
Anschließend stellte Wörner die historische Entwicklung des § 218 StGB bis hin zur heutigen Rechtslage dar. Hierbei differenzierte die Referentin zwischen den unterschiedlichen Bestimmungen während der deutschen Teilung.
Wörner berichtete zudem über ihre Arbeit in der von verschiedenen Ministerien eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin. Trotz der wissenschaftlichen Diversität der Kommissionsmitglieder hätten am Ende alle für eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches gestimmt. Ob der Vorschlag der Kommission umgesetzt wird, liege jedoch in der Verantwortung des Gesetzgebers. Orientiert habe sich die Kommission an einem Modell, bei dem die Schwangerschaft in drei Phasen – Frühphase, Mittlere Phase und Spätphase – unterteilt wird. In diesen Phasen seien die Interessen von Schwangeren gegen die des ungeborenen Fötus abzuwägen. Je länger die Schwangerschaft andauere, desto eher sei es der Schwangeren zumutbar, das Kind auszutragen. Erst durch eine solche Abwägung, die der Frau oder gebärfähigen Person Verantwortung zuspricht, werde die Achtung ihrer Menschenwürde sichergestellt. Zudem berichtete die Referentin über unterschiedliche Reformvorstellungen zur Abschaffung der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs und führte Vor- und Nachteile sogenannter minimal- oder maximalintensiver Optionen auf.