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26.09.2022

Frühe Menschen in Afrika nutzten Hightech-Kleber aus der Steineibe

Forschungsteam der Universitäten Tübingen und Kapstadt entdeckt, wie sich mit steinzeitlichen Mitteln Teer mit guten Hafteigenschaften herstellen lässt – Hinweise auf erste technische Innovationen

Der frühe Homo sapiens in Südafrika nutzte in der Mittelsteinzeit Kleber aus dort heimischen Steineiben, um etwa Steinwerkzeuge an Holzspeeren zu befestigen. Dieser Klebstoff hat hervorragende Hafteigenschaften und kann nur in einem aufwendigen Verfahren hergestellt werden. Das haben Dr. Patrick Schmidt und Tabea J. Koch von der Universität Tübingen in einer gemeinsamen Studie mit Professor Edmund February von der Universität Kapstadt, Südafrika, herausgefunden. Dass die frühen modernen Menschen vor rund 100.000 Jahren nicht auf leichter verfügbare Klebstoffe zurückgriffen, zeugt von ihren innovativen Fähigkeiten und ihrem großen Geschick. Dies könnte ein Wendepunkt in der kulturellen Evolution des Menschen gewesen sein. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

Steineiben, Koniferen der Gattung Podocarpus, sind tropische, immer-grüne Sträucher und Bäume. „An mehreren mittelsteinzeitlichen Fundorten in Südafrika sind Klebstoffe entdeckt worden, meist als Reste auf Steinwerkzeugen wie Kratzern oder Armaturen, die so an Griffe oder Speere angeklebt wurden“, berichtet Patrick Schmidt. Chemische Analysen hätten ergeben, dass solcher Klebstoff häufig aus Steineiben gewonnen wurde. „Das ist erstaunlich, weil Steineiben keine nennenswerten Mengen an Baumharz oder sonst einer klebrigen Substanz ausscheiden.“

Überlegene Eigenschaften

Das Team hat untersucht, wie der Klebstoff hergestellt werden konnte, wenn nur steinzeitliche Materialien und Werkzeuge zur Verfügung stehen. „In den Blättern der Steineiben sind geringe Mengen Harz enthalten, das man herausdestillieren muss“, erklärt Schmidt.

Zwei Herstellungswege hat das Team entdeckt: „Recht einfach ist es, die Blätter direkt neben flachen Steinen zu verbrennen. Dabei entsteht durch Kondensation Teer, der von den Steinen abgekratzt werden kann. Dieses Verfahren könnten die Menschen zufällig entdeckt haben.“ Aufwendiger sei die zweite Möglichkeit, bei der die Blätter in einer Art unterirdischem Destillationsapparat über mehrere Stunden erhitzt werden müssen, sodass der Teer in einen Auffangbehälter tropft. Welches Verfahren genutzt wurde, sei unbekannt.

Erstaunlich sei in jedem Fall, dass die Menschen damals keine anderen Pflanzen als Steineiben als Klebstofflieferanten nutzten. „Die Menschen hätten einfach Baumharze sammeln können. Bei mehreren Arten, die in ihrer Umgebung vorkamen, fließt es erkennbar aus dem Stamm. Manche Pflanzen geben zum Beispiel auch beim Abbrechen der Blätter klebrigen Latex ab“, erklärt Tabea Koch. Die Erklärung fand das Team mithilfe von Standardlabortests, wie sie in der Klebstoffindustrie verwendet werden: „Unser aus Steineiben destillierter Teer hatte besonders gute mechanische Eigenschaften und erwies sich als stärker als alle anderen natürlich vorkommenden Klebesubstanzen der Steinzeit in Südafrika, er konnte deutlich größere Lasten halten“, sagt Schmidt.

Dass die modernen Menschen im südlichen Afrika vor rund 100.000 Jahren gezielt besonders gute Klebstoffe produzierten, sei ein Wendepunkt in der Entwicklung unserer direkten Vorfahren gewesen, sagt Schmidt. „Die Menschen wählten Materialien nicht nach deren Eigenschaften aus, sondern veränderten das vorhandene Material.“ Solch neue Ingenieurstechnik habe höhere kognitive Fähigkeiten und innovatives Denken erfordert.

Publikation:

Patrick Schmidt, Tabea J. Koch, Edmund February: Archaeological adhesives made from Podocar-pus document innovative potential in the African Middle Stone Age. PNAS – Proceedings of the National Academy of Sciences, https://doi.org/10.1073/pnas.220959211

Kontakt:

PD Dr. Patrick Schmidt
Universität Tübingen
Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters
Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie
 Telefon +49 7071 29-74390
 Mobil +49 176 4560 3275

patrick.schmidtspam prevention@uni-tuebingen.de

Pressekontakt:

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Hochschulkommunikation
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Leitung

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Forschungsredakteurin
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