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24.09.2024

Wie das Gehirn die Zahl Null verarbeitet

Forschungsteam des Universitätsklinikums und der Universität Bonn sowie der Universität Tübingen klärt die neuronalen Grundlagen des mathematischen Konzepts der „Null“

Trotz ihrer Bedeutung für die Mathematik war die neuronale Grundlage der Zahl Null im menschlichen Gehirn bisher unbekannt. Nun haben Forscherinnen und Forscher des Universitätsklinikums Bonn (UKB), der Universität Bonn und der Universität Tübingen festgestellt, dass einzelne Nervenzellen im medialen Schläfenlappen die Null als einen Zahlenwert und nicht als separate Kategorie „Nichts“ erkennen. Die Ergebnisse sind jetzt in der Zeitschrift Current Biology erschienen.

Das Konzept der Zahl Null hat eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung von Zahlensystemen und der Mathematik und wird allgemein als eine der wichtigsten kulturellen Errungenschaften der Menschheit angesehen. „Anders als andere Zahlen wie Eins, Zwei oder Drei, die zählbare Quantitäten repräsentieren, bedeutet Null die Abwesenheit von etwas Zählbarem und gleichzeitig trotzdem einen numerischen Wert“, sagt Co-Korrespondenzautor Professor Florian Mormann von der Klinik für Epileptologie am UKB, der auch ein Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn ist.

Im Gegensatz zu positiven natürlichen Zahlen kam das Konzept der Zahl Null erst in der späteren Menschheitsgeschichte in den letzten zwei Jahrtausenden auf. Dies spiegelt sich auch in der Kindheitsentwicklung wider, da Kinder typischerweise erst im Alter von etwa sechs Jahren das Konzept der Null und damit verbundene Rechenregeln verstehen können.

Neurone signalisieren die Zahl Null 

Wie dieses Konzept durch Nervenzellen im menschlichen Gehirn repräsentiert ist, wurde bislang noch nicht untersucht. Die Bonner Forscherinnen und Forscher gingen jetzt zusammen mit Neurobiologen der Universität Tübingen dieser Frage auf den Grund. Dazu zeigten sie neurochirurgischen Patientinnen und Patienten, denen am UKB zur OP-Vorbereitung haarfeine Mikroelektroden in den Schläfenlappen eingesetzt worden waren, Zahlenwerte von Null bis Neun. Die Zahlenwerte wurden einerseits als arabische Ziffern und andererseits als Punktemengen gezeigt – einschließlich einer leeren Menge. „Währenddessen konnten wir die Aktivität einzelner Nervenzellen messen und fanden tatsächlich Neurone, welche die Null signalisierten“, sagt Esther Kutter, die Erstautorin der Studie ist. „Solche Neuronen reagierten entweder auf die arabische Ziffer Null oder die leere Menge, nicht jedoch auf beides.“

Zahl Null ist für Neurone ein Zahlenwert

In beiden Fällen zeigte sich ein numerischer Abstandseffekt, bei dem Neurone schwächer, aber deutlich auch auf die benachbarte Zahl Eins reagierten. „Also wird auf neuronaler Ebene das Konzept der Null nicht etwa als separate Kategorie „Nichts“ kodiert, sondern als Zahlenwert integriert mit anderen, zählbaren Zahlenwerten am unteren Ende des Zahlenstrahls“, sagt Professor Andreas Nieder vom Institut für Neurobiologie der Universität Tübingen, und Professor Mormann ergänzt: „Trotz dieser Integration wird speziell bei den Punktemengen die leere Menge auf der neuronalen Populationsebene unterschiedlich von anderen Anzahlen kodiert. Dies könnte erklären, warum auch auf Verhaltensebene das Erkennen der leeren Menge mehr Zeit in Anspruch nimmt als für andere kleine Anzahlen.“

Bei den arabischen Ziffern hingegen fand sich dieser Effekt weder auf neuronaler noch auf der Verhaltensebene. Die Forscherinnen und Forscher erkennen daraus die Wichtigkeit symbolischer Repräsentationen, zum Beispiel durch arabische Ziffern, für die Integration der Zahl Null auf dem Zahlenstrahl im menschlichen Gehirn.

Förderung: Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG über das Schwerpunktprogramm SPP 2205 gefördert.

Publikation: 
Esther F. Kutter, Gert Dehnen, Valeri Borger, Rainer Surges, Andreas Nieder, Florian Mormann: Single-neuron representation of nonsymbolic and symbolic number zero in the human medial temporal lobe. Current Biology, https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.08.041

Kontakt:

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Florian Mormann
Klinik für Epileptologie, Universitätsklinikum Bonn
TRA „Life & Health“, Universität Bonn
Telefon +49 228 287-15738
florian.mormannspam prevention@ukb.uni-bonn.de 

Prof. Dr. Andreas Nieder
Universität Tübingen
Institut für Neurobiologie
Telefon +49 7071 29-75347
andreas.niederspam prevention@uni-tuebingen.de 

Pressekontakt:

Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
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Janna Eberhardt
Forschungsredakteurin
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