Das Erbrecht in Babylonien und Assyrien: Das 1. Jtsd. v. Chr.
Prof. Dr. Konrad Volk, Dr. Cornelia Wunsch Projektlaufzeit: Dezember 2001 - November 2004
Ausgangsfragen und Zielsetzung des Projekts
Ziel des Projektes war es, die erbrechtlichen Regelungen in Mesopotamien anhand von Gesetzesbestimmungen sowie Urkunden, die Auskunft über das praktizierte Gewohnheitsrecht und Abweichungen vom üblichen Modus geben, vergleichend zu untersuchen und Entwicklungslinien aufzuzeigen. Anhand der Privaturkunden (Erbteilungsurkunden, Mitgiftbestellungen und quittungen, Vermögenstransfers, Hinweise in Kaufurkunden etc.) sollten die praktischen Aspekte des Erbrechts untersucht werden: wie Erbteilungen realisiert wurden, welchen Umfang Erbschaften hatten, welchen Einfluß der Teilungsmodus auf die Familienstruktur und die ökonomischen Ressourcen der nächsten Generation hatte und mit welchen Heiratsstrategien die Effekte der Erbteilungen zu kompensieren versucht wurden. Nur die Betrachtung der Urkunden im Archivzusammenhang läßt erkennen, wie und in welchem Maße die übliche Erbfolge umgangen wurde (etwa durch Schenkungen, Vermögensübertragungen auf den Todesfall, Überspringen einer Generation oder Adoption), daher hatte die archivbezogene Analyse erste Priorität. Zu prüfen war auch, welchen Spielraum der Erblasser für derartige Verfügungen überhaupt hatte. Somit sollte sich die Arbeit über rechtshistorische Aspekte hinaus interdisziplinär ausrichten und zur Beantwortung von sozialökonomischen und demographischen Fragestellungen beitragen. Die durch Publikationen zugänglichen reichhaltigen keilschriftlichen Quellen für das Erbrecht im Alten Mesopotamien in Form von Gesetzen und Privaturkunden sollten umfassend einbezogen werden, darüber hinaus nach Möglichkeit auch unpubliziertes Archivmaterial, z.B. aus dem Britischen Museum.
Nach Abschluß des Projekts läßt sich sagen, daß die Untersuchungen zum Erbrecht viele neue Erkenntnisse gebracht haben, darunter besonders zu Fragen der Verteilung des Erbes, der Weitergabe von Vermögen in weiblicher Linie, dem Verhältnis von gesetzlichem und testamentarischem Erbe, der Verbindung von Erbe und Versorgungsleistungen und den verschiedenen Formen von Adoption mit ihren jeweiligen Auswirkungen auf das Erbe.
Publikationen (Dr. C. Wunsch)
(2002) „Du hast meinen Sohn geschlagen!“ In: C. Wunsch (ed.): Mining the Archives. Festschrift for Christopher Walker on the Occasion of His 60th Birthday (Babylonische Archive, vol. 1). Dresden: ISLET, pp. 355–364.
(2003a) Women's Property and the Law of Inheritance in the Neo-Babylonian Period (elektronische Publikation)
(2003b) Urkunden zum Ehe-, Vermögens- und Erbrecht aus verschiedenen neubabylonischen Archiven (Babylonische Archive, Bd. 2). Dresden: ISLET.
(2003c) Mesopotamia: Neo-Babylonian Period (2.1.4.5, 3–6). In: R. Westbrook, A History of Ancient Near Eastern Law (Handbuch der Orientalistik, Bd. 72) Leiden und Boston: Brill, Bd. 2, 920–944 (mit R. Westbrook).
(2003–04) Findelkinder und Adoption nach neubabylonischen Quellen. AfO 50 [erschienen 2005], S. 174–243.
(2020) Grundzüge des babylonischen Erbrechts in neubabylonischer und frühachämenidischer Zeit. In: J. Baldwin/J. Matuszak (eds.), mu-zu an-za3-še3 kur-ur2-še3 ḫe2-ĝal2. Altorientalistische Studien zu Ehren von Konrad Volk (dubsar 17). Münster: Zaphon, pp. 453–509.