Im Sommer 1910 lernte die junge, musikalisch ausgebildete Alma Mahler (1879–1964) den damals noch unbekannten Architekten und späteren Gründer des Bauhauses Walter Gropius (1883–1969) kennen. Als Gustav Mahler von der Liaison erfuhr, hob er das Komponierverbot auf, das er der jungen Braut als Bedingung zur Eheschließung auferlegt hatte, und förderte nun ihre musikalische Entwicklung als Komponistin.
Der ca. 950 Briefe von Alma Mahler und ca. 310 Briefentwürfe von Walter Gropius umfassende Briefwechsel der Jahre 1910 bis 1964 aus dem Bauhaus-Archiv Berlin erklärt nicht nur ihre Tätigkeit und ihr Selbstverständnis als Komponistin näher, sondern vor allem ihre Aktivitäten als Kunstmäzenin und Organisatorin des Musik- und Kulturlebens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bereits ihr Briefwechsel mit Alban Berg und Arnold Schönberg hat zeigen können, welch großen Einfluss Alma Mahler als kulturell Handelnde im Bereich der Musik zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte. Auch die Rezeption der Werke Gustav Mahlers wäre ohne sie anders verlaufen.
Der Briefwechsel mit Walter Gropius erhellt in auch bei Alma Mahler seltener Offenheit nicht nur näher ihre, durch spätere Selbstdarstellungen teils verunklarte Biographie, sondern neben der Musik- auch die Architekturgeschichte der 1910er bis 50er Jahre. Alma Mahlers großer Einfluss wird hier deutlich in ihrer aktiven Auseinandersetzung mit den frühen Entwürfen von Gropius, ihrer Anregung durch Zusendung von ausländischer Literatur und Vermittlung von Aufträgen bzw. Kontakten sowie ihre Forderung nach herausragenden Leistungen. Ebenso erschließt der Briefwechsel auch die Entwicklung des theoretischen Schaffens von Gropius sowie seiner biographischen Entscheidungen näher.
Insbesondere die Phase vom Beginn der Beziehung mit Walter Gropius 1910 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 stellt hier ein zentrales Zeugnis dar. Die 158 Briefe von Alma Mahler und 236 Briefentwürfe von Walter Gropius waren größtenteils vollkommen unsortiert und undatiert überliefert, die überwiegend lediglich stichwortartigen Briefentwürfe von Gropius größtenteils unzusammenhängend und äußerst schwierig zu entziffern. Die Erschließung des Materials stellte eine philologisch sehr anspruchsvolle Aufgabe dar.
Alle Quellen 1910–1914 wurden möglichst vollständig ediert. Dieser erste Teil erschien bereits in einer Buchpublikation als Transkription mit Überleitungen und einzelnen Kommentaren in knappster Form, und ist zudem als Digitale Edition mit Image-Digitalisaten der Briefe und Briefentwürfe nebst Transkriptionen, normierten Metadaten, wissenschaftlichem Apparat, Themen- und Einzelstellenkommentaren veröffentlicht. Die Daten werden im TEI-Standard, der auf XML basiert, langfristig gesichert und frei zugänglich gemacht. Sie können mittels CorrespSearch durchsucht werden.
In einem zweiten, separaten Projektteil ist ein analoges Vorgehen für den Briefwechsel vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis 1964 vorgesehen.