Fachbereich Wirtschaftswissenschaft

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02.09.2019

Risikoteilung – ökonomische und juristische Sichtweisen

Wie können Mitgliedsländer eine Versicherung gegenüber den Risiken, denen sie sich durch die Aufgabe ihrer eigenständigen Geldpolitik ausgesetzt haben, erhalten? Das anzustrebende Ausmaß an Risikoteilung sowie die institutionelle Ausgestaltung sind umstritten, denn die Mechanismen sind unterschiedlich – so-wohl was die ökonomische Wirkungsweise, als auch die juristischen Voraussetzungen angeht. Nicht nur ei-ne europäische Arbeitslosenversicherung oder Bankenunion sind viel diskutiert, die Forschungsthemen sind vielseitig.

Arbeitsmigration als Risikoteilungsmechanismus in der Eurozone

Die Konferenz zur „Risikoteilung in der Eurozone“ wurde mit einem Vortrag von Professor Wilhelm Kohler, Lehrstuhl Internationale Wirtschaftsbeziehungen und Europäische Integration, eröffnet. Er präsentierte erste Ideen zu einem Forschungsprojekt, bei dem der Grad der Risikoteilung mittels verschiedener Transmissionskanäle in der Eurozone empirisch quantifiziert werden soll. Ziel des neuen Forschungsprojekts ist es, zu messen, ob und in welchem Umfang Konsumschwankungen, hervorgerufen durch asymmetrische Schocks, durch Arbeitsmigration in der Eurozone kompensiert werden. 

Ricardo Franceschin, Bocconi Universität, präsentierte ein Papier zur Arbeitsmobilität in der Eurozone. Basierend auf der Beobachtung, dass immer mehr EU-Bürger in anderen Mitgliedsstaaten leben, werden die Effekte von Arbeitsmigration, unter Einbeziehung heterogener Aspekte, empirisch quantifiziert. Erste Ergebnisse zeigen, dass eine höhere Heterogenität die Stabilisierung durch Migration verringert.

 

Risikoteilung – Sicht der Zentralbank

 

Ein Beitrag von Eva Söbbeke, Deutsche Bundesbank, lieferte einen Einblick in die Diskussion über Risikoteilung aus Sicht der Bundesbank und der EZB. Sie betonte die Notwendigkeit von institutionellen Reformen, die Stärkung des ESM sowie der Banken- und Kapitalmarktunion. Besonders Letztere stelle die größte Herausforderung in Zukunft dar, um Finanzmarktinvestitionen über die nationalen Grenzen hinweg attraktiv zu gestalten.

 

Rechtliche Rahmenbedingungen der Risikoteilung in der Eurozone

Martin Nettesheim, Juristische Fakultät, stellte Ideen zu einem Projekt vor, das sich mit der Frage nach dem Legitimationsbedarf von Risikoteilungsmechanismen in der Eurozone beschäftigt. Konkret wird es um die Frage gehen, ob institutionelle Änderungen auf europäischer Ebene eine Verbesserung des Legitimationsniveaus ermöglichen.

Georgios Psaroudakis, Aristoteles Universität Thessaloniki, stellte ein Projekt zum sogenannten „Single Resolution Fund (SRF)“ und eine mögliche Mutualisierung von systemischem Risiko vor. Dabei stellte er fest, dass durch die Einführung des SRF bereits große Fortschritte erzielt wurden, es jedoch immer noch an verfügbaren Instrumenten mangelt, um eine vollständige Mutualisierung zu erzielen.

 

Bedeutung von Länderfinanzierungsrisiken für die Risikoteilung

 

Länderfinanzierungsrisiken war ein weiteres Thema, zu dem Forschungsprojekte vorgestellt wurden. Elena Carletti, Bocconi Universität Mailand, sprach über sogenannte „Collective Action Clauses (CAC)“ und deren Einfluss auf den Handel von Staatsanleihen an den Finanzmärkten. Zusammen mit ihren Co-Autoren untersucht sie, wie Vertragsregelungen und deren rechtliche Rahmenbedingungen bepreist werden. Ihre empirische Analyse ergab, dass signifikante Preisunterschiede zwischen CAC-Anleihen und Nicht-CAC-Anleihen bestehen. Diese Unterschiede vergrößern sich, je schlechter das Kredit-Rating beziehungsweise desto stärker die rechtlichen Rahmenbedingungen innerhalb eines Staates sind.

Susanne Wellmann präsentierte ein Projekt, in dem der Effekt von starken Zinsanstiegen bei Staatsanleihen auf makroökonomische Größen, wie die volkswirtschaftliche Produktion oder  die Staatsausgaben, untersucht wird. Ergebnis der Studie ist, dass das Bruttoinlandsprodukt sowie die Staatsausgaben sinken. Diese Effekte halten auch nach acht Quartalen noch an.

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