Zum 1.7.2019 nahm der SFB 1391 „Andere Ästhetik“ (Sprecherin: Prof. Dr. Annette Gerok-Reiter) an der Universität Tübingen seine Arbeit auf mit dem Teilprojekt A04 „Bade- und Kurmusik in der Frühen Neuzeit“ am Musikwissenschaftlichen Institut.
Drittmittelförderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Projektbeschreibung
Ästhetische Fragen erleben eine überraschende Konjunktur. In den öffentlichen Debatten treten dabei häufig die konkreten ästhetischen Praktiken und Manifestationen oder Fragen nach der Funktion der Künste in sozialer wie anthropologischer Hinsicht hinter die autonomieästhetischen Positionen des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts zurück. Der Tübinger SFB setzt bei der Aktualität der Vormoderne an. Im Mittelpunkt steht das Modell einer Ästhetik, die die Relation zwischen der Eigenlogik der Künste (autologische Dimension) und ihrer sozialen Praxis (heterologische Dimension) ins Zentrum stellt. Von hier aus lässt sich der Beitrag vormoderner ästhetischer Akte und Artefakte für die Ästhetikforschung neu bewerten.
Das Teilprojekt A04 untersucht balneomusikalische Kommunikations- und Interaktionsräume der Frühen Neuzeit, wie sie sich in Text-, Bild- und Notenquellen spiegeln. Musik im Badekontext wird gemacht und gehört, geachtet und geächtet. Ihr Einsatz zwischen angewandter Diätetik, künstlerischer Praxis, sozialer Kommunikation und theoretischer Reflektion reicht von Belustigung (Musik als Unterhaltung) über Therapeutikum (musica aegrotos sanat) bis zum Seelenheil (geistliche Badelieder) oder zu Vanitas-Assoziationen (z. B. über Narrenmusiker). Das Projekt untersucht Quellen und Dokumente des 14. bis frühen 18. Jahrhunderts, die Aufschluss über Formen, Gattungen und institutionelle Ausprägungen von Bade- und Kurmusik im dynamischen Zusammenspiel von curare und delectare, narratio und moralisatio geben.