„Wellbeing“ an der Universität als Teil einer Kultur der Nachhaltigkeit fördern
Im Rahmen eines Realexperiments – eingebettet in das vom BMBF - geförderte Projekt KuNaH – erarbeiten wir gemeinsam mit universitären Gruppen, wie umfassendes Wohlbefinden (Wellbeing) bezüglich Nachhaltiger Entwicklung an der Universität Tübingen für alle Statusgruppen ausgestaltet und gefördert werden kann.
In Zeiten der Notwendigkeit nachhaltiger Gesellschaftstransformation begeben sich auch Hochschulen auf den Weg einer Nachhaltigen Entwicklung. Viele Initiativen und Ansätze zur Implementierung des Leitbilds Nachhaltiger Entwicklung sind bisher entwickelt und erprobt worden, jedoch fehlen immer noch integrative Ansätze, welche die verschiedenen Hochschul-Handlungsfelder als Whole-Institution-Approach (WIA) systematisch zusammendenken und eine umfassende „Kultur der Nachhaltigkeit“ (KdN) an Hochschulen fördern. Bereits 2018 spricht sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK 2018) für eine Kultur der Nachhaltigkeit aus. Doch was genau bedeutet dies und wie kann KdN an deutschen Hochschulen konzeptionell gefasst, empirisch beschrieben und gefördert werden? Damit befasst sich unser BMBF-gefördertes Projekt KuNaH – Kultur der Nachhaltigkeit an Hochschulen.
Das von Oktober 2022 bis September 2025 laufende Vorhaben ist ein Verbundprojekt von fünf deutschen Hochschulen. Gemeinsam forschen wir zu Fragen rund um Kultur der Nachhaltigkeit (Holst et al. 2024). Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt dabei auf der Entwicklung und Durchführung von sogenannten Realexperimenten.
In Realexperimenten kommt transdisziplinäre und transformative Forschung zur Anwendung. Gemeinsam mit Praxisakteur*innen wird in einem Prozess von Co-Design, Co-Produktion und Co-Evaluation in den Hochschulalltag interveniert. Ziel ist die Generierung neuen Wissens, insbesondere Handlungs- bzw. Transformationswissens, sowie das Ausprobieren und Umsetzen von Aktivitäten (Parodi et al. 2024).
In Tübingen gingen wir wie folgt vor: Im Rahmen eines Vernetzungstreffens, welches im Mai 2023 vom Kompetenzzentrum für Nachhaltige Entwicklung (KNE) organisiert und durchgeführt wurde, waren alle Universitätsmitglieder im Sinne des WIA zu einem Co-Design Prozess eingeladen, um über Ansätze einer Kultur der Nachhaltigkeit an der Universität zu sprechen. „Mental Health“ bzw. umfassender Wellbeing wurde hierbei als ein relevantes Themenfeld von den Teilnehmenden benannt und bearbeitet. Nachhaltiger Entwicklung liegt gemäß UN eine Gerechtigkeitsidee zu Grunde: Inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit sowie Priorität der Grundbedürfnisse der Ärmsten, ohne die Mitwelt zu zerstören (vgl. Brundtland Bericht, 1987, Agenda 21, 1992, SDGs/Agenda 2030, 2015). In diesem Sinne sind auch die Erhaltung und Ermöglichung von Gesundheit ein zentrales Ziel Nachhaltiger Entwicklung.
Aus diesem Co-Design Prozess heraus entstand das Realexperiment Wellbeing@Uni-Tübingen, bei dem wir gemeinsam mit dem studentischen und betrieblichen Gesundheitsmanagement, der PhD Initiative SustainAbility und dem Coachingunternehmen Mental Break der Frage nachgegangen sind, wie die Universität zum umfassenden Wohlbefinden von Studierenden und Mitarbeitenden beitragen bzw. wie Wellbeing im Hochschulkontext für alle Statusgruppen ausgestaltet und gefördert werden kann.
Die Universität bietet bereits vielfältige Wellbeing-Angebote für Studierende und Mitarbeitende, die jedoch oft schwer auffindbar sind. Auch eine Umfrage unter vor allem Erstsemestern zeigte, dass Wellbeing für Studierende ein wichtiges Thema ist und sie sich klar strukturierte Angebote wünschen.
Wir haben ein Konzept entwickelt, um bedarfsorientierte Wellbeing-Angebote sichtbarer und leichter zugänglich zu machen. Das Ergebnis ist eine neue Seite auf der Homepage der Universität Tübingen. Unter dem Titel „6 ways to wellbeing – what are yours?“ (angelehnt an das international verbreitete Konzept “five ways to wellbeing”) werden Studierende und Mitarbeitende dazu ermutigt, ihre eigenen Bedürfnisse zu reflektieren und passende Angebote für sich zu finden, um die Herausforderungen des Hochschulalltags bewältigen zu können.
Das Projekt Wellbeing@Uni-Tübingen macht das individuelle und kollektive Wohlbefinden in Bezug auf physische, soziale und mentale Gesundheit an der Universität sichtbarer. Damit wird eine Kultur der Nachhaltigkeit gefördert, die einen gesunden und respektvollen Umgang mit persönlichen Ressourcen fördert. Das Realexperiment liefert einen ersten wichtigen Beitrag zur Umsetzung und setzt einen Impuls, weiterhin intensiv an diesem Thema zu arbeiten.
Literatur:
Holst, J., Fritz, H., Nölting, B., Singer-Brodowski, M., Albiez, M., Betz, C., Lang, D. J., Meyer, S., Ober, S., Parodi, O., Schaltegger, S., Scheiding, C., Weynand, M., & Potthast, T. (2024). Kultur der Nachhaltigkeit an Hochschulen: Vom Ziel zur Normalität. DUZ Wissenschaft & Management (02/2024), S. 20-23.
HRK – Hochschulrektorenkonferenz (2018): Für eine Kultur der Nachhaltigkeit. www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/fuer-eine-kultur-der-nachhaltigkeit/
Parodi, Oliver; Ober, Susanne; Lang, Daniel J.; Albiez, Marius (2024): Reallabor versus Realexperiment: Was macht den Unterschied? In: GAIA Ecological Perspectives for Science and Society 33 (2), S. 216–221. DOI: 10.14512/gaia.33.2.4.
Verfasst von: Eilan Ulmer, Maike Weynand, Carina Betz