Der gravettienzeitliche Freilandfundplatz Azé (Saône-et-Loire, Frankreich)
Nach den von 1998 – 2004 durchgeführten Ausgrabungen stehen zum jetzigen Zeitpunkt (Februar 2008) vielfältige Auswertungen zu dieser gravettienzeitlichen Freilandfundstelle im Vordergrund. Nachdem eine Magisterarbeit zu den Retuschierten Formen (Ursula Maurer M.A.) erfolgreich abgeschlossen werden konnte, stehen nun technologische Untersuchungen (Magisterarbeit Andreas Taller) sowie Fragen der Fundplatzgenese (Magisterarbeit Krischan Hoyer) im Mittelpunkt der Fragestellung. Im Rahmen der technologischen Analyse stehen die Problematik der belegten chaînes opératoires sowie die Stichel/ Lamellenkern-Abgrenzung im Vordergrund. Ferner dienen die technologischen Untersuchungen als ergänzendes Medium der chronologischen Einstufung des Fundplatzes innerhalb des Technokomplexes „Gravettien“. Im Hinblick auf die fundplatzgenetischen Fragestellungen wird mithilfe sich ergänzender Argumente aus mikromorphologischen Sedimentanalysen und Pollenanalysen sowie differenzierten dreidimensionalen Kartierungen des Fundmaterials versucht, das Maß an postdepositionellen Verlagerungen vs. anthropogener Fundverteilungen zu evaluieren. Weitere Untersuchungen betreffen die Herkunft der lithischen Rohmaterialien sowie eine „site catchment analysis“ im Umfeld dieses zentralen gravettienzeitlichen Lagerplatzes.
Grotte de la Verpillière in Germolles (Saône-et-Loire, Frankreich)
Nach ersten Sondagen im Jahre 2003 wurden seitens der Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie unter der Leitung von Harald Floss 2006 und 2007 in Germolles erfolgreiche Ausgrabungen durchgeführt. Die Fundstelle liefert Funde, die nach technologischen und formenkundlichen Gesichtspunkten dem Micoquien (Schneidenschlag-Fazies), dem Moustérien de tradition Acheuléenne, dem Châtelperronien, einem älteren Aurignacien sowie dem Gravettien zuzuweisen sind. Damit liegt eine denkbar vollständige Abfolge der kulturellen Phänomene West- und Mitteleuropas aus der Phase zwischen 50.000 – 30.000 B.P. vor. Angesichts der Diskussion um die Frage der Ablösungsmechanismen der letzten Neandertaler durch frühe anatomisch moderne Menschen in Europa und den durchaus umstrittenen Ergebnissen aus der ebenfalls in Burgund gelegenen Grotte du Renne in Arcy-sur-Cure kommt Germolles ein besonderer Status zu. Die spektakulärsten Ergebnisse unserer Grabungen der zurückliegenden Jahre lassen sich in Kürze wie folgt resümieren: Im Jahre 2006 gelang die Entdeckung einer neuen, bislang völlig unbekannten Höhle. Im durch Tierbauten aus der Höhle heraus getragenen Sediment ließen sich Elemente eines Moustérien vom Typ Ferrassie, aber auch einige Formen eines flächenbearbeiteten späten Mittelpaläolithikums vom Typ Micoquien wie erfreulicherweise auch einige Elemente des frühen Jungpaläolithikums (Châtelperronien, Aurignacien) nachweisen. Die neu entdeckte Höhle erhielt die Bezeichnung „Verpillière II“. Das herausragende Ergebnis der Grabungen in der seit dem 19. Jahrhundert bekannten Grotte de la Verpillière, die nach der Entdeckung der neuen Höhle nunmehr „Grotte de la Verpillière I“ genannt wird, liegt im Umstand der unerwarteten Aufdeckung intakter, nicht durch die Altgrabungen verwühlter Sedimente. Dies betrifft sowohl die Basis der stratigraphischen Abfolge des Höhleninneren, als auch den nördlichen Vorplatzbereich. Hier gelang es, eine intakte Fundplatzzone aufzudecken, die sich u.a. durch das massierte Vorkommen von Schmuckelementen und Farbpigmenten (Hämatit) auszeichnet. Ferner gelang die Entdeckung mehrerer aurignacienzeitlicher Artefakte aus organischen Materialien, v.a. Pfriemen und Glätter, die für AMS 14C-Direktdatierungen vorgesehen sind. Wir hoffen und gehen optimistisch davon aus, in den kommenden Jahren diese über ein großes Potential verfügende Fundstelle weiter erforschen zu dürfen. Bei der Frage der Modalitäten des Übergangs vom Mittel- zum Jungpaläolithikum werden neben der Modellierung bereits zur Verfügung stehender Daten vor allem dringend auch neue hoch auflösende Daten benötigt. Germolles verfügt nach allem über das Potential, Datenmaterial zu dieser menschheitsgeschichtlich bedeutenden Phase beizusteuern.