Depressive Störungen sind gekennzeichnet durch verzerrte Informationsverarbeitungsprozesse. Beispielsweise empfinden depressive Patienten uneindeutige emotionale Gesichtsausdrücke als negativer (z.B. ärgerlicher) als gesunde Kontrollpersonen. Darüber hinaus leiden sie oft an einer fehlenden Übereinstimmung von Kognitionen und Emotionen. So berichten Patienten nach einer überstandenden depressiven Episode davon, dass sie eine Situation zwar gedanklich wieder besser einordnen können, allerdings scheint dies nur mäßige Auswirkungen auf das emotionale Erleben zu haben. Das heißt, Kognition und Emotionen sind bei Patienten mit einer Depression nicht hinreichend synchronisiert.
Das Komponenten-Prozess-Modell der Emotion (Scherer, 2009; Gentsch, 2014) geht davon aus, dass die Bewertung einer Situation (Kognition) die Reaktion des peripheren Nervensystems (z.B. Gesichtsmimikry) mit bestimmt und alle an einer Emotion beteiligten Komponenten (z.B. Kognition, Gesichtsausdruck) mit einander im Einklang (synchron) stehen. Bei der Entstehung einer Emotion durchläuft der Reiz, der die Emotion auslöst, zunächst mehrere Bewertungsschleifen (Ist der Reiz für mich neu?, Ist er angenehm für mich?, Ist er relevant für mich?, Ist das Ziel für mich erreichbar? Wie viel Kraft kostet es mich?). Das Ergebnis dieses Bewertungsprozesses verändert den Zustand jeder einzelnen Emotionskomponente. Erst die Synchronisation aller Emotionskomponenten führt letztlich zu der erlebten Emotion.
In diesem Forschungsfeld untersuchen wir die Vorhersagen des Komponenten-Prozess-Modells der Emotion bei depressiven Patienten. Dabei wenden wir Paradigma an, die sozial-kognitive Fähigkeiten aktivieren, d.h. soziale Bewertungsprozesse. Im Detail nehme ich veränderte Bewertungsschleifen bei Patienten mit einer Depression an, die sich in veränderten neuronalen Antwortmustern zeigen sollten, wenn sozial relevante Informationen verarbeiten werden. Als Methoden kommen EEG und EMG sowie bildgebende Verfahren zum Einsatz.