Zentrum für Islamische Theologie (ZITh)

Veni, Vidi, Didici – Ich kam, ich sah, ich lernte

Studienreise nach Rom vom 2. bis 8. September 2013

Von Erkan Binici

Unter der Leitung von Professorin Dr. Lejla Demiri fand in Zusammenarbeit mit dem Lay Centre at Foyer Unitas vom 2. bis 8. September 2013 eine Studienreise nach Rom statt, die hauptsächlich von der Stiftung Mercator gefördert wurde. Das 1986 gegründete Lay Centre ist eine Institution zur akademischen und spirituellen Förderung von Studenten der päpstlichen Universitäten. Regelmäßig werden dort auch Dialogprogramme organisiert, in denen Personen anderen Glaubens – meist Studierende – Einblicke in die christliche Lebensweise erhalten. Das Programm „Muslim-Christian Dialogue in the Modern World“ zählte insgesamt 22 Teilnehmer, 13 davon Mitglieder des Graduiertenkollegs Islamische Theologie der Stiftung Mercator, vier Begleitpersonen und fünf vom Universitätsbund und DAAD finanzierte Studierende aus Tübingen.

Nach der Ankunft in Rom am 2. September stellten die zwei Koordinatorinnen Dr. Sandra Keating, Professorin für Weltreligionen am Providence College, und Dr. Donna Orsuto, Professorin am Institut für Spiritualität der päpstlichen Universität Gregoriana und Direktorin des Lay Centres, das bevorstehende Programm kurz vor. Das Lay Centre, das sehr zentral gelegen ist und die größte private Parkanlage innerhalb Roms darstellt, beeindruckte die Teilnehmer mit seinen großzügigen Grünflächen, seiner mediterranen Vegetation und einem phantastischen Blick auf das Kolosseum vom Grundstück aus.

Am 3. September stand ein Besuch der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften auf dem Programm, welche innerhalb des Vatikans liegt. Dort wird ausschließlich wissenschaftliche Forschung z.B. in Biologie und Mathematik betrieben. Den Studierenden wurde an diesem Beispiel verdeutlicht, dass ein Dialog zwischen Religion und Wissenschaft möglich ist. Anschließend besuchten die Teilnehmer den Petersdom, das Kolosseum und das Forum Romanum. Abends hielt der britische Botschafter am Heiligen Stuhl, Nigel Baker, einen Vortrag über „Diplomacy and Faith.“ Er erklärte, dass früher der Begriff der Säkularisierung auch einen sehr großen Einfluss auf die Diplomatie hatte, sodass damals kein großer Wert auf den Glauben eines Landes gelegt wurde. Erst jetzt werde realisiert, dass die Religion ein essenzieller Bestandteil einer Gesellschaft ist und immer zu berücksichtigen ist. Auch betonte er die besondere Stellung des Diplomaten am Heiligen Stuhl, da dessen Position verflochten mit der Religion ist und so Auswirkungen auf das persönliche Leben und die Spiritualität haben kann.

Am 4. September stand neben dem Besuch des päpstlichen Rates des interreligiösen Dialogs und Treffen mit anderen Gemeinschaften, welche sich dem Dialog gewidmet haben, die Generalaudienz des Papstes im Mittelpunkt. Aus nächster Nähe, vom „VIP-Bereich“ aus, lauschten die Akademiker der Ansprache von Papst Franziskus. Die Atmosphäre ähnelte der eines kulturellen Großereignisses, etwa eines Konzertes. Es waren unzählige Menschen anwesend, viele mit Fanartikeln vom Papst. Alle riefen gemeinsam seinen Namen. Es war beeindruckend, diese Identifikation mit dem Papst in den Gesichtern der Menschen zu sehen. Interessant war, dass auch viele junge Menschen unter den Zuhörern waren.
Als der Papst mit seinem kleinen Auto winkend zur Bühne gefahren wurde, tobte die Menge. Auf der Bühne angekommen, begrüßte der Papst zunächst alle Anwesenden, was von einigen Würdenträgern in verschiedene Sprachen, darunter auch ins Arabische, übersetzt wurde. Daraufhin wurden der Reihe nach wichtige Gäste aus verschiedenen Ländern namentlich begrüßt und dies in die jeweilige Sprache übersetzt.
Neben einem kurzen Kommentar zu seinem Brasilienaufenthalt segnete der Papst auch Gegenstände wie z.B. Rosenkränze und ein gemeinsames Gebet wurde gesungen.
Nach Abschluss der Audienz segnete der Papst beim Verlassen des Petersplatzes die Menschen in Rollstühlen, die sich vor dem Ausgang in einer Reihe positioniert hatten.

Am Donnerstag besichtigte die Gruppe die vatikanische Sternwarte und die päpstliche Sommerresidenz mit ihren weitläufigen Gärten. Nach einem kurzen Einblick in die vatikanische apostolische Bibliothek folgte eine ausführliche Diskussion über „Muslim-Christian relations in Italy“ mit Imam Yahya Pallavicini, einem der wichtigsten Vertreter des Islams in Italien. Er veranschaulichte die derzeitige Situation in Italien in Sachen Dialog und Etablierung des Islams in die italienische Gesellschaft. Ein brisanter Punkt war die Definition der optimalen Unterweisung der Schüler in der eigenen Religion und inwiefern dies in einer Religionskunde funktionieren kann. Neben diesen Aspekten wurde auch die Beziehung zwischen islamischer Tradition und „westlicher Wissenschaft“ thematisiert.

Am Freitag standen Besuche einer klösterlichen Gemeinschaft, der großen Moschee Roms und der Vatikanischen Museen mit der Sixtinischen Kapelle auf dem Programm. Am päpstlichen Institut „Johannes Paul II“ für Studien zu Ehe und Familie wurden das christliche und muslimische Verständnis von Ehe und Familie gegenübergestellt. Zwei Professoren vermittelten der Gruppe in kurzen Vorträgen, was das Idealbild einer Ehe im Christentum ist, wie es heutzutage mit der Ehe aussieht und was das Institut dazu beiträgt. Nach einem kurzen Einblick in die Erschaffungsgeschichte des Menschengeschlechts aus christlicher Perspektive verdeutlichte Harry Behr, Professor für Islamische Religionslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg, in einem spontanen Kurzreferat die metaphysische und psychische Ebene der Koranverse und Passagen zu diesem Thema.

Am 7. September bewunderte die Reisegruppe die Basilika Sankt Paul vor den Mauern und die Kirche San Clemente. Anhand von diesen beiden Beispielen wurde erklärt, welche Motive und Ornamente in der Kirchengestaltung eine wichtige Rolle spielen. Es wurde aufgezeigt, dass jede Persönlichkeit im Christentum mit anderen Symbolen dargestellt wird. So haben z.B. einige Heilige besondere Bärte oder sie werden mit den Gegenständen abgebildet, welche mit ihrem Tod in Verbindung stehen. Wenn sie beispielsweise gekreuzigt wurden, dann werden sie mit einem Kreuz dargestellt oder wenn sie erstochen wurden mit einem Schwert. Außerdem werden Kirchen im Allgemeinen reich verziert, um den Eintritt in einen heiligen Ort und den Himmel zu implizieren.

Am 8. September nahmen die Besucher aus Deutschland an der Sonntagsmesse teil, die eine sehr wichtige religiöse Praktik in der Spiritualität des Christentums darstellt. Durch Übersetzungen wurde es allen ermöglicht, die Gebete mitzuverfolgen, und so eine Brücke zwischen den Praktiken der verschiedenen Religionen geschlagen. Viele Motive des Gebets tauchen auch in muslimischen Kreisen auf, wie zum Beispiel das Beten für Kranke, Gemeinde und Gesellschaft und der Aufruf, sich religiöse Werte anzueignen. Im Anschluss durften auch das gegenseitige Beglückwünschen und die gegenseitige Bitte um Gottes Segen nicht fehlen. Dieser Moment war noch einmal eine bildliche Manifestation des Dialogs zwischen Muslimen und Christen.

Insgesamt ist zu sagen, dass dieses Dialogprogramm für die Gruppe sehr lehrreich und informativ war. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernten viel Neues über das Christentum beziehungsweise sie bekamen die Möglichkeit, Bekanntes weiter zu vertiefen. Durch diesen unmittelbaren Blick auf die katholische Kirche wurde deren Stellung und Beziehung zu anderen Religionen und ihre Meinung in Sachen Dialog deutlich gemacht. Die vielen Einblicke in die christliche Lebensweise förderte das Verständnis für andere Religionen und ihre Art der Spiritualität. Es bleibt zu hoffen, dass derartige Dialogprogramme weiterhin zu Stande kommen werden.