Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN)

15.09.2015

Pressemitteilung: Bernstein Preis 2015 für Philipp Berens

Der Netzhaut auf den Grund gehen – Bernstein Preis 2015 für Philipp Berens

Der Bioinformatiker Dr. Philipp Berens ist für seine Forschung mit einem der weltweit höchstdotierten Nachwuchsförderpreise ausgezeichnet worden. Berens untersucht mithilfe von Computermodellen Rolle und Aufbau der unterschiedlichen Zelltypen in der Netzhaut. Der Bernstein Preis wird am 15. September 2015 durch Dr. Matthias Kölbel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf der Bernstein Konferenz in Heidelberg verliehen. Er ist mit bis zu 1,25 Millionen Euro dotiert und ermöglicht herausragenden Nachwuchsforschern den Aufbau einer eigenen Arbeitsgruppe an einer deutschen Forschungseinrichtung. Berens plant, seine Arbeitsgruppe am Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience der Eberhard Karls Universität Tübingen aufzubauen.

In unserer Netzhaut existieren viele verschiedene Typen einer bestimmten Zellart, der Bipolarzellen. Mittlerweile sind 14 Unterarten bei der Maus bekannt. Wie kommt diese Vielfalt zustande – und erfüllen die Zellen unterschiedliche Rollen bei der visuellen Verarbeitung? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Philipp Berens. „Mithilfe von Computermodellen versuche ich, die funktionalen und biophysikalischen Eigenschaften dieser Zellen zu verstehen“, erklärt Berens. „Meine Modelle bauen dabei auf physiologischen und anatomischen Daten aus experimenteller Forschung auf.“ Die Computermodellierung ermöglicht ihm, den Wissensstand über die Nervenzellen zu testen: Liefern die Modelle andere Ergebnisse als die Messungen an lebenden Zellen, dann herrscht noch eine Wissenslücke vor, die geschlossen werden muss.

In den letzten Jahren hat Berens mit seinen experimentell arbeitenden Kooperationspartnern bereits Ganglienzellen untersucht, eine weitere Zellklasse der Netzhaut. Diese erhalten ihre Eingangssignale von den Bipolarzellen und sind ihnen damit auf dem Weg vom Licht zum Nervenimpuls im Gehirn nachgeschaltet. Mit statistischer Datenanalyse hat er verschiedene Typen von Ganglienzellen klassifiziert. „Dabei hat sich herausgestellt, dass es nicht – wie bis dahin angenommen – eine Handvoll Ganglienzellarten gibt, sondern 30 bis 40 unterschiedliche Typen. Sie alle erfüllen eine unterschiedliche Funktion und schicken eine eigene Bildversion an das Gehirn“, so Berens.

Die Erforschung der Bipolarzellen ermöglicht dem Hirnforscher, die große Vielfalt der Ganglienzellen zu verstehen. Gleichzeitig verfolgt Berens mit seiner Arbeit medizinische Anwendungsmöglichkeiten: So wird er in einem weiteren Schritt untersuchen, welche Auswirkungen degenerative Netzhauterkrankungen auf verschiedene Zelltypen haben. „Fallen alle Bipolarzellen gleichzeitig aus oder überleben manche Typen länger als andere? Und ergibt sich aus diesen Erkenntnissen ein diagnostischer Marker, mit dem wir den Fortschritt der Erkrankung beim Patienten messen können?“, fragt Berens.

Mithilfe des Bernstein Preises will Berens nun eine Arbeitsgruppe an der Universität Tübingen aufbauen, wo er bereits ein Projekt am Bernstein Zentrum und dem Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften – CIN (dem Exzellenzcluster der Universität) leitet und mehrere Kooperationspartner hat. Er freut sich auf die anstehenden Forschungsprojekte: „Die Herausforderung bei der Erforschung des Nervensystems ist, einen Bereich zu finden, der ausreichend komplex ist, dass dort auch etwas Spannendes passiert – aber gleichzeitig einfach genug, um ihn zu verstehen. Die Netzhaut ist ein ideales Beispiel dafür.“

Dr. Philipp Berens ist 1981 in Freiburg geboren und hat Bioinformatik (Diplom) und Philosophie (Bachelor of Arts) an der Universität Tübingen studiert. Von 2008 bis 2013 promovierte er bei Professor Dr. Matthias Bethge am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen und Professor Dr. Andreas Tolias am Baylor College of Medicine in Houston (USA). Für seine Dissertation über die Verarbeitung von Orientierungsreizen im Sehzentrum des Gehirns erhielt er die Bestnote summa cum laude. Ab Mitte 2012 bis Ende 2014 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Matthias Bethge am Bernstein Zentrum Tübingen. Seit November 2014 ist Berens Projektleiter unter Professor Dr. Matthias Bethge und Professor Dr. Thomas Euler am Bernstein Zentrum Tübingen und dem Universitätsklinikum Tübingen und ist weiterhin als Gastwissenschaftler im Labor von Professor Dr. Andreas Tolias am Baylor College of Medicine in Houston (USA) tätig. Berens gewann 2013 den Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft für die anschauliche Darstellung seiner Forschungsarbeit und wurde zweimal mit dem Lehrpreis für seine Tätigkeit an der Tübinger Graduiertenschule für Neurowissenschaften ausgezeichnet.

Der Bernstein Preis wird dieses Jahr bereits zum zehnten Mal verliehen und ist Teil des vom BMBF im Jahre 2004 ins Leben gerufenen Nationalen Bernstein Netzwerks Computational Neuroscience. Ziel der Förderinitiative war es, die neue Forschungsdisziplin in Deutschland nachhaltig zu etablieren. Inzwischen hat sich das Netzwerk mit Hilfe der BMBF-Förderung zu einem der größten Forschungsnetze im Bereich der Computational Neuroscience weltweit entwickelt. Namensgeber des Netzwerks ist der deutsche Physiologe Julius Bernstein (1835-1917).

Ein Porträtbild von Dr. Philipp Berens steht bereit zum Download - Bitte nennen Sie folgende Bildrechte: Wieland Brendel © CC-BY 3.0

Organization:

  • Bernstein Center for Computational Neuroscience
  • Werner Reichardt Centre for Integrative Neuroscience
  • University of Tübingen

Contact: Prof. Dr. Philipp Berens

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