Spektakel
Wissensvermittlung als ästhetische Praxis
21. - 22. Oktober 2019 – Universität Tübingen
Das Spektakel feiert ein Comeback. Ist der Begriff bislang weder disziplinär klar zuzuordnen noch hinreichend definiert, lässt sich in jüngster Zeit seine Renaissance in den Kunst- und Kulturwissenschaften erkennen. Während Guy Debord in seiner „Gesellschaft des Spektakels“ (DEBORD 1967) kritische und kulturpessimistische Töne anschlug und das Spektakel so – vergleichbar mit Adornos Kulturindustrie (ADORNO 1945) – zu einem Kampfbegriff der Neuen Linken machte, dient es jüngeren Ansätzen zunächst als rein deskriptive (ästhetische) Kategorie. Sie postulieren die Scharnierfunktion des Begriffs und beschwören das ihm innenwohnende, bislang verborgene theoretische Potential (u. a. FRISCH, FRITZ, RIEGER 2018).
Das Spektakel ist eine kollektive, multisensuelle Erfahrung und ein aufsehenerregendes Ereignis, das oft, aber nicht immer, auf Unterhaltung und Vergnügen abzielt. Im Spektakel wird Verschiedenstes aufgeführt und zur Schau gestellt. Kennzeichnend für die Darstellungen sind dabei Immersion, sinnliche Überwältigung, Staunen und Wundern als Schlüsselemotionen und das Aufgehen der Schauenden im Hier und Jetzt. Das Spektakuläre beschreibt also einen spezifischen Wahrnehmungsmodus, der in den unterschiedlichen Kontexten heraufbeschworen wurde und wird: Von antiken Opferriten und mittelalterlichen Machtdemonstrationen über die Theater und Wunderkammern der frühen Neuzeit bis hin zu zeitgenössischen synästhetischen Expositionen und Virtual-Reality-Installationen – sie alle können unter dieser Kategorie subsumiert werden. Dem Spektakulären wird ein besonderes, erkenntnisbringendes Potential zugeschrieben. Das wird nicht nur in den „Wonder Shows“ und Wissenschaftstheatern des 19. Jahrhunderts sichtbar (NADIS 2005, BRUGGMANN 2017), sondern zeigt sich auch in den Diskussionen um Aura und Szenografie in den Museen des 20. und 21. Jahrhunderts (BENJAMIN 1935, BRÜCKNER 2010). Dabei geht es unter anderem um Fragen nach dem ästhetischen und erzieherischen Wert des Spektakels, dem vor allem im bürgerlichen Wertehorizont das Stigma einer voyeuristischen Effekthascherei anhaftet. Im Kontrast dazu stehen die oben eingeführten neueren Ansätze und Interpretationen, die dem entgegen und entgegen einer kulturpessimistischen Lesart à la Debord das aktivierende, ermächtigende, anschauliche und gemeinschaftsstiftende Potential des Spektakels betonen.
Uns solchen Neuvermessungen anschließend wollen wir im Rahmen dieser Tagung das Spektakel auf sein epistemisches Potential hin befragen: Welche Rolle spielt es für die Wissensvermittlung? Wie verhält es sich zum Museum als Ort des Wissens und ästhetischen Genusses? Welche spezifischen Wahrnehmungsmodi eröffnet es? In welchem Verhältnis stehen Episteme und Ästhetik? Wir möchten diese Fragen interdisziplinär mit Praktiker*innen und Theoretiker*innen diskutieren und versuchen, den Begriff Spektakel für das Feld des Museums und der Wissensvermittlung weiter auszudifferenzieren. Dabei soll auch das politische und kulturkritische Potential nicht unbeachtet bleiben, sondern vielmehr als ein Katalysator für Diskussionen um Wahrheit, Wertschöpfung, Distinktion und Partizipation in den Bereichen der Wissenschaftsvermittlung und -popularisierung dienen.
Praktische Informationen
Anreise Tübingen ist mit dem Zug von Stuttgart aus gut zu erreichen – dort halten auch die meisten Fernlinien der Deutschen Bahn. Vom Flughafen Stuttgart ist man mit den Shuttlebussen in 45 Minuten in Tübingen.
Tagungsort Schloss Hohentübingen, Fürstenzimmer
Teilnahme Anmeldung via E-Mail bei helen.ahnerspam prevention@uni-tuebingen.de
Gebühren 15 € (für Studierende 10 €)
Organisation Prof. Dr. Thomas Thiemeyer / Alexander Renz / Helen Ahner
Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft
Burgsteige 11
72070 Tübingen