FluchtMigration gehört nicht nur zu den zentralen Erfahrungen der Gegenwart, sie hat auch längst ihre besonderen Orte des Ankommens geschaffen: das Lager, die Siedlung, die Baracke, den Container. In dieser Liste hat das ‚Dörfle‘ in der Tübinger Weststadt einen festen und auch einen originären Platz sicher.
Es steht stellvertretend für eine besonders Asylant*innen und Spätaussiedler*innen umfassende dritte große Migrati- onswelle, die Tübingen – nach den Heimatvertriebenen der Nachkriegszeit und den ab 1960 angeworbenen ausländischen Arbeitskräften – zwischen 1989 und 2005 erreicht und seither mitgeprägt hat.
Die Schließung der Sammelunterkunft für Asylsuchende in der Thiepval-Kaserne im Herbst 1989 hat den Tübinger Gemeinde- rat zu einer Neuregelung der Unterbringung von Geflüchteten gezwungen. Man entschied sich unter hohem Zeitdruck für eine bessere Betreuung und eine dezentrale Verteilung. Zudem wurde beschlossen, die Asylbewerber*innen „in menschen- würdigen Wohnungen aufzunehmen“. Die 1989 genehmigte, aber erst 1991 gebaute Siedlung in der Sindelfinger Straße drückte dieses städtische Versprechen in besonderer Weise aus. Die vom Architekten Peter Hübner geplante Siedlung mit ihren 16 ‚Häuschen‘, ihren charakteristischen Spitzdächern und ihren größeren Grünflächen bot für 120 Menschen Wohnraum. Sie war anspruchsvolle „Architektur für Asylanten“ zum einen und ein Tübinger „Modell für Integration“ zum anderen.
Die Ausstellung zeigt Vergangenheit und Gegenwart des
‚Dörfle‘ in der Weststadt. Sie folgt dabei der dichten Berichter- stattung im Schwäbischen Tagblatt. Noch mehr aber lässt
sie die in der Siedlung wohnenden oder mit ihr befassten Menschen zu Wort kommen. Dabei wird eines schnell deut- lich: Die Siedlung hat nicht nur ihren Bewohner*innen Heimat ermöglicht, sondern sie ist auch selbst zu einem wichtigen Ort einer migrantischen Tübinger Heimatgeschichte geworden.