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Das Stipendium Martianum

1509 wurde das „Collegium Sanctorum Georgii et Martini“ – besser bekannt als „Stipendium Martinianum“ von den beiden Klerikern Georg Hartsesser und Martin Plantsch als Studienstiftung zugunsten von bedürftigen Studenten gestiftet. Von der Stiftung wurden Wohnhäuser in der Langen Gasse erworben, in denen schließlich 18 Stipendiaten Unterkunft, Verpflegung und Unterricht erhielten. Damit war sie die bedeutendste der Tübinger Studienstiftungen, der in den Folgejahren eine Reihe weiterer Familienstiftungen (z.B. die Fickler‘sche Stiftung) angegliedert wurden.

1662-1665 baute die Universität an prominenter Stelle, gegenüber von Stiftskirche und Alter Aula den sogenannten „Neuen Bau“, der Wohnplätze für Stipendiaten von Stiftungen, die keine eigenen Häuser unterhielten, zur Verfügung stellen sollte,. Doch bereits wenige Jahre nach der Fertigstellung wurde der Bau an das „Martinianische und Fickler’sche Stipendium“ verkauft, das daraufhin auch häufig als „Neubaustiftung“ bezeichnet wurden. Bis zum Jahr 1923, als auf Grund der Inflation die Anzahl der Stipendien drastisch verringert werden musste, konnten dort die Stipendiaten dieser Stiftungen wohnen. 1924 wurde das Gebäude dem Verein Tübinger Studentenhilfe in Erbpacht überlassen, die es jedoch als Wohnheim nicht halten konnte. 1935 wurde es an die Tübinger Polizeidirektion vermietet, so dass sich dort auch das Gestapo-Büro befand. 1976 zog die Polizei aus und die Universität wollte dort Institute unterbringen, was jedoch durch eine Besetzung des Gebäudes 1977 durch Studierende verhindert wurde. Daher wurde es 1979 von der „Martinian Fickler’schen Stiftung“ an das Land Baden-Württemberg verkauft; heute betreibt das Studentenwerk e.V. das Wohnheim.

Seit 1945 ruht die Tätigkeit der Stiftung Martinianum ganz, sie wurde aber nicht wie die meisten anderen Stipendienstiftungen aufgehoben, sondern besteht bis heute weiter.

Weitere Tübinger Stipendien

In Tübingen bestanden im Laufe der Jahrhunderte etwa 150 Studien- und Familienstiftungen. Bis 1534 entstanden zehn, 1648 weitere 40, im 17. und 18. Jahrhundert 33, im 19. Jahrhundert 50 und im 20. Jahrhundert ca. 25. Stiftungsberechtig waren meist Familienangehörige und ihre Nachkommen. Diese Stiftungen verloren durch die Geldentwertungen von 1923 und 1948 nahezu ihr gesamtes Vermögen und wurden 1962 bis auf wenige Ausnahmen aufgelöst. Die Restvermögen wurden in zwei neuformierte Stipendienstiftungen, die "Tübinger Stipendienstiftung" und die "Tübinger Stiftung Wissenschaftlicher Nachwuchs" eingebracht.

Die Stipendienstiftungen unterstanden zum größeren Teil der Aufsicht der Universität, die durch das Collegium Superintendentum Stipendiorum, später durch das Collegium Decanorum wahrgenommen wurde.

Darüber hinaus waren die Verwalter zumeist Angehörige der Universität, seit dem 19. Jahrhundert in zahlreichen Fällen Angehörige der Universitätsverwaltung.

Der Bestand im Universitätsarchiv

Die Akten der Stiftung Martinianum gelangten im Jahre 1967 vom damaligen Akademischen Rektoramt in das Universitätsarchiv, wurden im Jahre 1977 von Frau Gudrun Emberger durch eine Kartei erschlossen und später in eine Datei konvertiert auf der das aktuelle Findbuch basiert, das im Universitätsarchiv und auf dessen Webseite (https://uni-tuebingen.de/einrichtungen/universitaetsbibliothek/uniarchiv/findmittel/weitere-bestandsbezogene-findmittel-in-auswahl/ ) einsehbar ist.

Der Bestand umfasst 805 Nummern und hat einen Gesamtumfang von 8 Regalmetern. Ergänzende Überlieferung findet sich auch in der Älteren Universitätsregistratur und in Unterlagen des Akademischen Rektoramts

 

Literatur

Gudrun Emberger: Ain ewig Stipendium: Das Collegium Sanctorum Georgii et Martini - Eine Tübinger Studienstiftung des 16. Jahrhunderts, Göttingen 2013 (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung 16).

Gudrun Emberger: Stipendiaten, Polizisten, Hausbesetzer, in: Tübinger Blätter 2013, S. 24-28.

Die Württembergischen Familien-Stiftungen nebst genalogischen Nachrichten über die zu denselben berechtigten Familien, herausgegeben von Ferdinand Friedrich Faber, Stuttgart 1853.

Die Glocke des Martinianums

Eine Glocke gab es wohl bereits im ersten Stiftungsgebäude, da sie in den Statuten von 1528 erwähnt wird. Die erhaltene Glocke stammt aus dem Jahr 1680, wurde wohl zunächst im Gebäude Lange Gasse 8 geläutet und zog 1683 in den Neuen Bau um. Beim Verkauf des Gebäudes Münzgasse 13 wurde sie dem Universitätsarchiv zur Verwahrung übergeben.

Erwähnung findet die Glocke auch in den Statuten: Mit ihr wurde geweckt und zu den Mahlzeiten gerufen.

Universitätsarchiv Tübingen S 46/16