Universitätsbibliothek

Welthölzer

Kleine Schachtel mit viel Geschichte

Gegen Ende der 1920er Jahre fehlt vielen Staaten Geld, auch die junge Weimarer Republik hat akute Geldsorgen: die steigende Inflation, die beginnende Weltwirtschaftskrise, die Reparationszahlungen nach dem ruinösen Krieg. Deutschland gilt wirtschaftlich als „Risikoland“, von dem unklar ist, ob es seine Schulden zurückzahlen würde. 1929 macht der schwedische Unternehmer, Investor und „Streichholz-König“ Ivar Kreuger ein verlockendes Angebot: 125 Mio. Golddollar zu 6% Zinsen bei einer Laufzeit von 53 Jahren. Im Gegenzug erhält sein Konzern das Monopol auf Zündwaren als Sicherheit.

Mitten im Börsencrash, am 26.10.1929, unterzeichnen Kreuger und die deutsche Regierung den Vertrag, und am 29.1.1930 verabschiedet der Reichstag das Zündwarenmonopolgesetz. Seitdem werden zum Anzünden von Heizung, Herd, Licht und Tabakwaren nur noch die Zündhölzer „Welt-Hölzer“ oder „Haushaltsware“ der Deutschen Zündwaren-Monopolgesellschaft DZMG verwendet. Die DZMG fungiert als Verkaufsorganisation in Berlin bzw. Frankfurt a.M. und erwirtschaftet den Monopolgewinn zur Tilgung der Kreuger-Anleihe. 

Deutsche Hersteller (die ohnehin überwiegend dem Kreuger-Konzern gehören) dürfen nur noch vorbestimmte Mengen an die DZMG liefern, die sie an die Händler mit hohen Aufschlägen weiterverkauft. Die Gewinne fließen zu einem großen Teil in Kreugers Taschen, und es fällt auch etwas für die Staatskasse ab. 

Die BRD, die sich als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches sieht, erfüllt den Vertrag bis zur letzten Rate in Höhe von 275.724,44 Dollar am 15.1.1983. Damit endet das Monopol, die DZMG wird aufgelöst und Zündhölzer werden wieder frei gehandelt.

Ivar Kreuger hat das nicht mehr erlebt. Man findet ihn am 12. März 1932 tot in seiner Pariser Wohnung mit einer Schußwaffe in der Hand. 

Am Anfang, im März 1908, hatten die beiden Ingenieure Ivar Kreuger und Paul Toll in Stockholm die Grundstücks- und Baufirma Kreuger & Toll gegründet, 1913 übernimmt Kreuger die marode Streichholzfirma des Vaters.1916 wandelt Kreuger die Firma in eine Holding-Gesellschaft um, die er allein kontrolliert. 

Am Ende der Erfolgsgeschichte unterhält Kreuger & Toll rund 150 Tochterfirmen mit 260 Fabriken und 75.000 MitarbeiterInnen. Kreuger kontrolliert nicht nur den Zündholzmarkt in 33 Ländern mit etwa 60% der Weltproduktion, sondern hat Beteiligungen im Bereich Eisenerz und Zellstoff, weitere Holdinggesellschaften und Finanzinstitute, Verbindungen mit der chemischen Industrie, und 1930 übernimmt er die Telefonfirma Ericsson.

Kreuger wird als „charmant, gebildet, zurückhaltend, zugleich aber welterfahren, mutig, hochintelligent und visionär bis zur Tollkühnheit“ beschrieben. Sein Geschäft basiert auf seiner Persönlichkeit und auf seiner Reputation. Letztere erarbeitet er sich dadurch, dass er seinen Anlegern zweistellige Dividenden auszahlt, z.T. bis 30%. Die Gewinne, die er angibt, sind aber in der Realität nicht vorhanden. Auch private Kleinanleger kaufen Kreuger-Aktien wegen der hohen Renditen, das Konkursrisiko wird verschleiert. In Zeiten wirtschaftlicher Probleme vertrauten die Leute den erfolgreichen Unternehmern wie Kreuger, kauften deren Anleihen und hofften darauf, Anteil am finanziellen Erfolg zu haben.

Kreuger ist darauf angewiesen, dass ständig frisches Geld hereinkommt, das er dann sofort wieder ausschüttet – ein Ponzi-System (ein Verwandter des Schneeballsystems). Auch das Geld für die deutsche Anleihe hat er nicht, und es wird immer schwieriger, seit die Börse wackelt und die Anleger ihr Geld zurückziehen. Er fälscht Sicherheiten, um die nötigen Kredite zu bekommen. 1931 verkauft er Ericsson an die amerikanische Telefonfirma ITT, plündert aber vorher Ericssons flüssige Mittel. Als die Amerikaner das merken, wollen sie den Kauf rückgängig machen, aber Kreuger kann den Kaufpreis nicht zurückerstatten, das Geld ist weg. Kreugers Reputation bekommt Risse. Er versucht, langfristige Geschäfte durch kurzfristige Kredite zu finanzieren, ein Kardinalfehler. Sein Tod ist auch das Ende des Konzerns. Die schwedische Zündholzfirma, der die Raten für die Anleihe gezahlt werden müssen, landet bei der Unternehmerfamilie Wallenberg. Auch Ericsson kann gerettet werden. Der Rest ist bankrott.

Auch das Streichholz ereilt der Tod: durch Einwegfeuerzeuge, Elektrifizierung von Licht und Haushaltsgeräten, und die Verbreitung von Zentralheizungen. Die in Deutschland seit 1909 erhobene Verbrauchsteuer auf Zündwaren wird 1981 abgeschafft – zu viel Verwaltungsaufwand bei zu geringem Ertrag.

Quellen: