University Library

Hölzerlips

Ich bin der Georg Philipp Lang aber alle nennen mich nur Hölzerlips. Das ist mein Räubername. Geboren wurde ich im Jahr 1770 und heute, am 31. Juli im Jahr 1812, soll das Schwert des Henkers über mich kommen. Um 12 Uhr ist es soweit, auf dem Richtplatz hier in Heidelberg.

Seinen Lebensunterhalt verdiente der Hölzerlips anfangs mit dem Verkauf von Holzspielzeug auf Jahrmärkten. Daher stammt sein Räubername Hölzerlips – vom Holzhandel und von der Kurzform seines Namens Philipp. Wie viele andere Menschen nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) wuchs der Hölzerlips bei seinen vagabundierenden Eltern in Armut auf und wurde schließlich zum Räuber. Seine Frau war mit einem anderen „Jauner“ durchgebrannt, so dass er mit seinen beiden Kindern alleine zurückblieb und bis zum Jahr 1811 insgesamt 36 Fälle von Straßenraub, Einbruch oder Diebstahl begangen hatte. Georg Philipp Lang wurde zum Anführer der Hölzerlips-Bande, die im Odenwald und dessen Umgebung ihr Unwesen trieb.

Auf der Bergstraße bei Hemsbach schließlich, überfielen die Männer eine Kutsche. Darinnen saßen der Kaufmann Hans Jacob Rieter und Rudolf Hanhart aus der Schweiz und schliefen. Sie waren in der Nacht zum 1. Mai 1811 auf der Rückfahrt von der Frankfurter Messe. Die Räuber fielen den Pferden in die Zügel und prügelten mit dicken Knüppeln auf die Kutsche ein, so dass die beiden Reisenden aufgeschreckt heraussprangen. Sie erhielten sofort Schläge auf den Kopf. Dennoch gelang es Rieter, den Knüppel festzuhalten, was den Räuber aber veranlasste, ihn mit dem Kolben seiner Pistole hart auf Kopf und Stirn zu schlagen, bis der Kaufmann zu Boden sank. Nachdem die Räuber mit ihrem Diebesgut wieder im Wald verschwanden, schleppten sich die Schwerverletzten weiter und wurden von einem jungen Mann in ein Wirtshaus gebracht. Hans Jacob Rieter war jedoch so schwer verletzt, dass er am 5. Mai 1811 in Heidelberg verstarb.

Die Räuberbande wurde bald gefasst und den sechs Männern in Heidelberg der Prozess gemacht.  In dem hier ausgestellten Sammelband befinden sich allein 8 Stücke, die sich mit diesem Verbrechen und den einzelnen Tätern beschäftigen. Veröffentlicht wurde die detaillierte und fast minutiöse Beschreibung aus Gründen der Abschreckung. Üblich war es im 19. Jahrhundert auch, die Protokolle der erfolgreichen „Bekehrung“ der zum Tode Verurteilten von ihren geistlichen Seelsorgern zu veröffentlichen. Nach dem öffentlichen Schuldspruch auf dem Marktplatz von Heidelberg wurden der Hölzerlips, Manne Friedrich, Veit Krämer und Kremer-Mathes auf dem Richtplatz außerhalb der Stadt mit dem Schwert hingerichtet. Überraschend begnadigt wurden Andreas Petry und Sebastian Lutz, was die Macht der Staatsgewalt unterstrich.

Leichname von Hingerichteten wurden in Heidelberg üblicherweise in der Anatomie seziert. Vermutlich wurden die Überreste des Hölzerlips auf dem Armenfriedhof der Spitalskirche St. Anna begraben und sein Skelett nicht, wie in älteren Quellen zu lesen ist, in der Anatomie aufbewahrt.

Heutzutage findet man Romane über die Geschichte der Hölzerlips-Bande sowie eine Wanderung, die zum Felsenhaus des Räubers im Odenwald führt. Am Ort des Verbrechens, von Hemsbach in Richtung Laudenbach auf Höhe Umbühl, liegt heute die B3.

"Die Armut, die war freilich schuld. Weil man sie nicht mehr hat geduld't. Die großen Herrn sind schuld daran, Daß mancher tut, was er sonst nicht getan!"
(Lied, gedichtet und gesungen von Manne Friedrich während seiner Gefangenschaft)

Die 8 Stücke aus dem ausgestellten Band mit der Signatur Hn 63 sind alle digitalisiert und online zu lesen:
http://idb.ub.uni-tuebingen.de/digitue/tue/vd18/F_Geschichte_und_Geographie

 

 

Quellen:

  • Actenmässige Geschichte der schrecklichen Thaten, welche in der Nacht vom letzten April auf den ersten May 1812 auf der Bergstrasse zwischen Laudenbach und Hemsbach an zweyen Schweizer Kaufleuten verübt und am 31. Julius 1812 auf der Richtstätte zu Heidelberg an sechs Raubmördern mit Schwert bestraft wurden : als warnendes Beyspiel von Gottes Rache gegen den, der Böses thut. Heidelberg, 1812 [u.a.]. UB-Signatur: Hn 63.
  • Nachtrag zu der aktenmässigen Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains, im Spessart und im Odenwalde. Von Ludwig Pfister. Heidelberg, 1812.
    UB-Signatur: Hn 62 a.
  • Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden. Ausstellungskatalog Badisches Landesmuseum Karlsruhe. Hrsg.: Harald Siebenmorgen. Sigmaringen, 1995.
    UB-Signatur: 35 B 1850.
  • https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6lzerlips