Das Gespräch zwischen der legendären Päpstin Johanna und dem Theologen Friedrich Spanheim dem Jüngeren (1632–1701) zeigt exemplarisch, wie das Totengespräch als Bühne für wissenschaftliche Diskurse genutzt wurde. In diesem Fall geht es um die Frage nach der historischen Existenz der sogenannten Päpstin Johanna, die im 9. Jahrhundert als Johannes VIII. den Heiligen Stuhl innegehabt haben soll. Seit den ersten nachweisbaren Zeugnissen über die Existenz der Päpstin im 13. Jahrhundert wurde sie bis in die heutige Zeit Gegenstand zahlloser Debatten. Die unterschiedlichen Versionen ihrer Lebensgeschichte haben zumeist gemein, dass Johanna als Mann verkleidet aufgrund ihrer großen Gelehrtheit zum Papst gewählt wurde, ihr wahres Geschlecht jedoch verriet, als sie während einer Prozession ein Kind gebar. Nachdem diese Berichte zunächst für wahr gehalten wurden, wurde die Existenz der Päpstin in nachreformatorischer Zeit zunehmend in Frage gestellt. Einerseits waren es gerade Protestanten, welche die Legende wissenschaftlich zu widerlegen suchten, andererseits diente sie im Konfessionsstreit der protestantischen Romkritik, da mit ihr sowohl die päpstliche Infallibilität wie auch eine seit Petrus durchgängige apostolische Sukzession bestritten werden konnten.
Hier reiht sich das vorliegende Werk thematisch ein. Es ist als Antwort auf die Widerlegung der Existenz Johannas in der Dissertation Christoph August Heumanns (1681–1764) zu verstehen. Heumann sieht die Geschichte um die Päpstin Johanna als Fabel an und vermutet deren Ursprung in einem den Frauen verfallenen Papst. Der anonyme Autor verfolgt in seinem Widerspruch auf dieses Werk eine Dreifachstrategie: so wird nicht nur der Text inhaltlich genutzt, um die Historizität der Päpstin argumentativ zu belegen, sondern auch die Form des Genres der Totengespräche, die Johanna selbst auftreten und sich gewissermaßen selbst verifizieren lässt. Zudem ist Johannas Gesprächspartner mit Friedrich Spanheim gleichzeitig ein wichtiger Fürsprecher für die Existenz Johannas, der selbst ein einflussreiches Werk über sie verfasst hatte. Dieses verteidigt er nun quasi posthum gegen Heumann. Der Autor selbst tritt anonym hinter seinen Darstellern zurück und lässt die beiden wohl an seiner Stelle sprechen.