Deutsches Seminar

Absolventenprofil Lietz


SONJA LIETZ

Warum haben Sie sich für den MA Germ. Linguistik in Tübingen entschieden?
Mich faszinieren die Systeme und Regeln, die wir alle beim Nutzen unserer Muttersprache befolgen, ohne sie benennen oder erklären zu können. Die Linguistik beobachtet, formalisiert und analysiert diese Regelmäßigkeiten – und macht sie dadurch greifbar. Deshalb war mir schon kurz nach Beginn des Bachelorstudium klar, dass mich dieser Zweig der Germanistik am meisten interessiert und dass ich mich dahingehend spezialisieren will.

Was hat Ihnen besonders gut am MA Germ. Linguistik gefallen?
Inhaltlich hat mir gefallen, dass der Stoff im Vergleich zum B.A. Germanistik nicht nur thematisch breiter, sondern auch fachlich tiefer betrachtet wurde. Das bedeutete allerdings auch, dass man ohne solide Grundlagenkenntnis schnell an seine Grenzen stieß. Ich kannte Studierende mit einem abgeschlossenen B.A.-Studium, das sie offiziell für die Zulassung zum M.A. Germanistische Linguistik qualifizierte, sie aber nicht mit den gängigen Werkzeugen vertraut machte. Wer noch nie mit Lambda-Abstraktion gearbeitet hat, nur ungern kompliziert aussehende Formeln nachvollzieht oder sich vom Anblick detaillierter CP/IP-Bäume abschrecken lässt, wird viel nacharbeiten müssen oder wenig Freude an diesem Studium haben.

Menschlich hat mich beeindruckt und immer wieder motiviert, mit welcher Leidenschaft und Kompetenz der Großteil der Lehrenden die Seminare und Vorlesungen abhielt. Auch auf der Seite der Studierenden herrschte im Vergleich zum Bachelorstudium eine ganz andere Atmosphäre, weil unter den Anwesenden niemand die Linguistik als lästige, aber notwendige "Mathematik der Germanistik" auffasste, sondern sich bewusst und interessiert für diese Fachrichtung entschieden hatte.

Was haben Sie so im MA Germanistische Linguistik nicht erwartet?
Die Seminare des M.A.-Studiums bestanden kaum aus klassischer Lehre, sondern häufig aus Diskussionen zwischen Lehrenden und Studierenden auf Augenhöhe. Gemeinsam wurden die Positionen und Herangehensweisen verschiedener Linguistinnen und Linguisten betrachtet, nachvollzogen, angewendet, verglichen, bewertet und hinterfragt.

Worüber haben Sie Ihre Masterarbeit geschrieben?
Meine Masterarbeit befasst sich mit dem semantischen Unterschied zwischen den Präpositionen "an" und "bei" und mit der Frage, warum die Sätze in (1) nahezu austauschbar erscheinen, während zwischen den Sätzen in (2) intuitiv ein stärkerer Unterschied zu bestehen scheint.

(1) a. Das Fahrrad steht am Bahnhof.
     b. Das Fahrrad steht beim Bahnhof.

(2) a. Das Fahrrad steht an der Laterne.
     b. Das Fahrrad steht bei der Laterne.

Wie war es, in Tübingen zu studieren?
Sowohl an der Uni als auch in der Stadt habe ich mich von Anfang an sehr wohlgefühlt und mich schnell eingelebt. Tübingen ist hübsch und überschaubar, man findet sich schnell zurecht, aber trotzdem gibt es immer noch einen neuen Geheimtipp zu entdecken.

Was haben Sie nach Ihrem Abschluss gemacht?
Noch während des Schreibens meiner Masterarbeit fand ich meine erste Stelle als Lektorin in der Gaming-Branche. Ich durfte lernen, wie komplex die Lokalisierung von Videospielen ist und was es dabei alles zu beachten gilt. Zentrale Aufgaben waren dabei die Prüfung und Korrektur der ins Deutsche übersetzten Spieletexte und Pressemitteilungen, das Balancieren zwischen dem Vertrauen in die Qualität der Übersetzung und der Suche nach Fehlerquellen und Alternativbedeutungen, das Erkennen und Ersetzen von un- oder missverständlichen Formulierungen, die Anpassung von Tonfall und Wortwahl an den jeweiligen Kontext und auch die kreative Lösungsfindung im Fall von nicht wörtlich übersetzbaren Texten wie z. B. Lyrik.

Inzwischen bin ich in der Medizintechnik-Branche gelandet und lektoriere Marketing-Medien und Dokumente für die firmeninterne Kommunikation. Und dank manch einer beruflichen Diskussion oder beim Lesen von Schlagzeilen wie "Das der Erde nächstgelegene Schwarze Loch gibt es doch nicht" denke ich zurück an meine unvergessliche, vielleicht schon etwas verklärt betrachtete, aber doch wunderbare Zeit an der Uni Tübingen.