07.07.2025
Tagung „Steuerkonkurrenzen“
Bereits zum dritten Mal kamen am 26. und 27. Juni 2025 Steuerrechtler und Ökonomen in Tübingen zusammen, um Grundlagenfragen des Steuerrechts zu diskutieren. In diesem Jahr widmeten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Steuerkonkurrenzen – einer im deutschen Steuerrecht bisher zu wenig beachteten und daher, wie gleich mehrere Redner anmerkten, „glücklich gewählten Thematik“. Die Tagung fand im Fürstenzimmer des Schlosses Hohentübingen statt und wurde von der Kanzlei POELLATH großzügig unterstützt.
Den ersten Vortrag hielt Michael Droege. Unter dem Titel „Der Steuerstaat als Verfassungsprinzip – Steuern und ihr Verhältnis zur Staatsfinanzierung durch sonstige Abgaben“ widmete er sich sowohl den verfassungsrechtlichen Grundlagen als auch der dogmatischen Leistungsfähigkeit der Steuerstaatlichkeit. Darauf folgte Christine Osterloh-Konrad, die mit ihrem Beitrag „Steuerstaatlichkeit im Rechtsvergleich“ den Blick auf die britische, die US-amerikanische und die französische Rechtsordnung weitete und dabei auch etwaige Zweckbindungen von Steuern sowie den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Gesamtdeckung einbezog. Christian Seiler untersuchte sodann die Ertragskompetenzen des Grundgesetzes auf eine ordnende Funktion und arbeitete die Unterscheidung von Einkommensentstehung und ‑verwendung als Regelstruktur der wichtigsten Steuertypen heraus, aus der sich behutsam Leitlinien für die Steuergesetzgebung ableiten lassen. Mit seinem Vortrag „Der kumulative Grundrechtseingriff im Steuerrecht“ nahm Gregor Kirchhof eine andere, freiheitsrechtliche Perspektive ein. Hierbei weitete er zum einen den Blick dafür, welche Freiheitsbeeinträchtigungen über die Zahllast hinaus mit einer Steuer einhergehen, und zeigte zum anderen, dass auch die bisher wenig als solche betrachtete Kumulation von Besteuerungen freiheitsrelevant sein kann. Den Blick auf das Europarecht und das Völkerrecht richteten Benjamin Straßburger und Peter Hongler, die sich mit den materiellen Prinzipien einer europäischen bzw. globalen Steuerrechtsordnung beschäftigten.
Den zweiten Tag leitete Hanno Kube mit seinem Vortrag „Steuerartübergreifende Leistungsfähigkeit“ ein, in dem er die verschiedenen einzelsteuerlichen Zugriffe auf die Leistungsfähigkeit in Beziehung zueinander setzte, ehe er in einer übergreifenden Erfassung der Einzelsteuern die Gesamtleistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen als Maß und Grenze der Gesamtsteuerlast herausdestillierte. Schließlich richtete Kube den Blick auf das Nebeneinander von Steuern und Entgelten, insbesondere Sozialversicherungsabgaben. Monika Jachmann-Michel betrachtete in ihrem Vortrag „Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung“ den status quo nach der Soli-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dabei prüfte sie eine Verletzung von Freiheitsgrundrechten durch Steuern und deren Kumulation und setzte sich in diesem Rahmen vertieft mit dem Eingriffsbegriff und der Verhältnismäßigkeit von Steuern auseinander. Es folgen mehrere Referate zu konkreten Konkurrenzverhältnissen. Ulrich Palm richtete den Blick auf die Körperschaftsteuer und ihr Zusammenwirken mit der Einkommensteuer und vollzog einen historischen Abriss der Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsgeschichte, um daran vertiefte Überlegungen zur Steuersubjektivität anzuschließen, die von der natürlichen Person als originärem Subjekt der Leistungsfähigkeit zu einer näheren Betrachtung und Einordnung der Körperschaftsteuersubjekte führten. Maximilian Haag berichtete daraufhin aus der Sicht der Praxis über die Konkurrenz von Einkommen- und Erbschaftsteuer, beschrieb typische Problemfälle der Doppelbesteuerung von stillen Reserven im Nachlass bis hin zu Erbeinsetzungen von Handelsgesellschaften, stellte die Behandlung durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes dar und gab schließlich einen Überblick über Lösungs- und Abmilderungsmechanismen de lege lata und de lege ferenda. Birgit Weitemeyer beschäftigte sich mit der Kompensation der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer durch § 35 EStG, dessen Ausgestaltung und Problembereiche sie eingehend analysierte, bevor sie mit finanzverfassungsrechtlichen und -politischen Betrachtungen schloss. Rainer Wernsmann behandelte das Konkurrenzverhältnis von kommunalen Steuern zu bundesgesetzlich geregelten Verbrauch- und Aufwandsteuern. Er konkretisierte den Begriff und die Bedeutung der Gleichartigkeit nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG und untersuchte die Eignung des grundgesetzlichen Gleichartigkeitsverbots als Vorbild für eine allgemeine Steuerkonkurrenzlehre. Zu guter Letzt lieferte Nadja Dwenger eine ökonomische Analyse von Steuerkonkurrenzen und steuerlichen Belastungswirkungen und zeigte mit ihrer ökonomischen Bewertung von Doppelbesteuerung unter den Gesichtspunkten Anreizwirkung, Wohlfahrtsverlust, Verteilungswirkung und wahrgenommene Fairness eine gänzlich andere Perspektive auf. In ihrem Schlusswort blickte Christine Osterloh-Konrad auf eine gelungene Tagung zurück und stellte jedenfalls dahingehend Einigkeit fest, dass die Steuerkonkurrenzen ein weites Feld seien, deren Betrachtung mit dieser Tübinger Tagung einen guten Anfang genommen habe.
Text: Gideon Abele