Philologisches Seminar

DFG-Projekt 'Reading Symmachus' Letter Collection by the Book'

Das Projekt folgt dem Aufruf der britischen Klassischen Philologen Mary Beard und Roy Gibson, antike Briefsammlungen by the book zu lesen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass das Arrangement antiker Briefcorpora, die zum allergrößten Teil nicht-chronologisch angeordnet sind, kein – wie oftmals angenommen – kontingentes Produkt eines planlosen, untalentierten und an den Vorgängen seiner Zeit desinteressierten Kompilators und Herausgebers darstellen. Vielmehr sollen sie, so die Arbeitshypothese, als Ergebnis einer Reihe von intentionalen Entscheidungen verstanden werden, die primär nicht in der simplen Dokumentation von ereignisgeschichtlichen oder biographischen Vorgängen bestehen. Auf diese Weisen können Briefsammlungen als ‚literary collections‘ oder ‚books of literature‘ begriffen und ihr überliefertes Arrangement ernst genommen werden sowie sich Perspektiven eröffnen, nach Implikationen und möglichen Intentionen, die hieraus resultieren, zu fragen.

Im Kontext dieses übergreifenden Forschungsansatzes rückt das Projekt die literarische Seite der Korrespondenz des spätantiken römischen Aristokraten Q. Aurelius Symmachus († wohl 402) ins Zentrum der Analyse. Ziel ist es, die Kompositions- und Ordnungsmuster, nach welchen seine Briefsammlung konzipiert ist, herauszuarbeiten sowie Implikationen, die diesem Arrangement erwachsen, zu identifizieren und im zeit-, sozial-, kultur- und bildungsgeschichtlichen Horizont des späten vierten Jhdts. n.Chr. zu verorten.

Teilprojekt 1 (Dr. Andreas Abele)

Quid facto usus sit, ipse videris. Studien zur Briefsammlung des Q. Aurelius Symmachus (Arbeitstitel)

Das Teilprojekt untersucht die Kompositions- und Anordnungsprinzipien der symmacheischen Briefsammlung in ihrer die ersten sieben Bücher umfassenden Edition. Dabei wird ihr Arrangement vor dem Hintergrund der spezifischen zeitgenössischen Ästhetik und Poetik verstanden, die von Michael Roberts Ende der 1980er-Jahre als Jeweled Style bezeichnet wurde. Inwiefern sich die Prinzipien des Jeweled Style auf verschiedenen Ebenen der Briefsammlung (Bücher, Adressatengruppen, Einzelbriefe) identifizieren lassen, ist zentraler Gegenstand der Untersuchung.

Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf der Narrativität der Briefsammlung. In drei Einzeluntersuchungen wird verschiedenen 'Makrotexten' auf die Spur gegangen, die einzelne Bücher bzw. Buchteile mittels ihrer spezifischen Anordnung präsentieren. 

Teilprojekt 2 (Katharina Blaas)

Macht und Familie. Intergenerationelle Relationen in den Briefen des Q. Aurelius Symmachus (Arbeitstitel)

Ziel des Projekts ist es, in den ersten sieben Büchern der epistulae die Umsetzung und Abbildung von Generationenbeziehungen zu untersuchen. Dass sich in diesem Corpus gewissermaßen eine Familiengeschichte über drei Generationen nachvollziehen lässt, ist in der Form für die Antike einzigartig. Deshalb soll hier im Besonderen analysiert werden, wie soziales, kulturelles bzw. symbolisches, aber auch ökonomisches Kapital in einer über das gesamte Imperium Romanum vernetzten stadtrömischen Senatorenfamilie in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Neben den im Zentrum stehenden Symmachi lassen sich, unter anderem mit Nicomachus Flavianus maior und dessen Sohn, auch andere Familien in die Untersuchung miteinbeziehen, jeweils mit dem Ziel, die Ergebnisse in einem größeren sozialen Rahmen zu kontextualisieren.

Maßgeblich für die Studie ist dabei die konkrete Aktualisierung dieser Transmissionsprozesse auf Textebene. Es werden narrative Sequenzen untersucht, die sowohl auf der Ebene des einzelnen Briefes als auch darüber hinaus auf der Ebene des Buches, einzelner Adressatengruppen oder der gesamten Sammlung den Übergang von einer Generation an die nächste konstituieren. Dabei sollen die überlieferten Briefe in ihrer Eigenschaft als dezidiert literarische Sammlung weniger als „Quelle“ im historischen Sinne, die bestimmte gesellschaftliche Prozesse und Voraussetzungen rein abbildet, gelten. Vielmehr werden sie als eigenständiges und eigenwertiges Produkt dieser sozialen Strukturen und Dispositionen verstanden. Sie gelten dabei als die konkrete Performanz einer elementaren sozialen Praxis dieser spätantiken Reichselite, welche sich aufgrund spezifischer historischer Entwicklungen (Verlegung des Kaiserhofes in andere Reichsteile, Erweiterung des Senats und damit verbundene geographische Streuung der Mitglieder und infolgedessen das Fehlen das Fehlen sozialer Interaktionsräume in physischer Präsenz) vom Mündlichen (Senatsreden und Diskussionen, social events, vertrauliche Gespräche) ins Schriftliche (publizierte Reden, Briefe, etc.) verlagert hat.

Publikationen

  • A. Abele 2023: The Jeweled Style and Neoplatonism
    In: J. Hartman/H. Kaufmann (Hgg.): A Late Antique Poetics? The Jeweled Style Revisited, London u.a.: Bloomsbury, S. 245-257.