Elterliche Gendersozialisation in vielfältigen Familien
Wechselwirkungen mit Geschlechtshormonen, Familienprozessen und sozio-politischem Kontext
Egalitäre Geschlechterideologien und -praktiken in modernen postindustriellen Gesellschaften verbreiten sich in verschiedenen Bereichen unterschiedlich schnell, was als unvollständige Genderrevolution konzeptualisiert wurde. Mögliche Erklärungen beziehen sich einerseits auf anhaltende Vorstellungen zu bedeutenden biologischen Geschlechterunterschieden in Kombination mit zunehmenden Idealen der Selbstverwirklichung und Wahlfreiheit und andererseits auf neurowissenschaftliche Forschung zu biologischen Geschlechterunterschieden. Ziel dieses Projekts ist zu einem besseren Verständnis intergenerationaler Veränderung beizutragen, indem es beleuchtet, wie Kinder und Jugendliche geschlechtsspezifische Ideologien, Interessen, und berufliche Aspirationen formen. Zu diesem Zweck kombiniert die Studie Theorien der Gendersozialisation und biologischer Geschlechterunterschiede mit einer Lebenslaufperspektive. Der Schwerpunkt des Projekts liegt darauf, elterliche Sozialisationseinflüsse in ihrer Wechselwirkung mit i) Geschlechtshormonen und ii) Kontextunterschieden zu untersuchen. Insbesondere unterschiedliche Familienstrukturen, soziale Netzwerke und Genderkulturen werden beleuchtet. Der Fokus auf Aspirationen von Kindern mit allein bzw. getrennt erziehenden Elternteilen und mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft verspricht einen Erkenntnisgewinn, da finanzielle Beschränkungen und Vereinbarkeitsproblematiken dieser Familien Vorstellungen von bedeutenden biologischen Geschlechterunterschieden und Ideale der Selbstverwirklichung abschwächen dürften.
Um elterliche Einflüssen in Abhängigkeit von Geschlechtshormonen zu untersuchen, verwendet das erste Teilprojekt die Avon Longitudinal Study of Parents and Children. Die Studie erlaubt eine Verknüpfung von Hormonmessungen aus Blutproben mit längschnittlichen Befragungen von Kindern und ihren Eltern in Bristol von vor der Geburt bis ins junge Erwachsenenalter. Das zweite Teilprojekt analysiert die britische Millennium Cohort Study mit dem Ziel, elterliche Sozialisation in Bezug auf Gender in verschiedenen Familienformen mit unterschiedlicher Kontakthäufigkeit und Beziehungsqualität zwischen Eltern und Kindern zu beleuchten. Das dritte Teilprojekt untersucht Geschlechterideologien, -praktiken und berufliche Aspirationen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland, England, den Niederlanden und Schweden. Basierend auf Daten der „Children of Immigrants Longitudinal Study in Four European Countries“ analysiert es, wie elterliche Einflüsse in Abhängigkeit von Geschlechterideologien von Mitschülern und sozialen Netzwerken und Genderkultur variieren. Die Individualdatensätze werden mit länderspezifischen Informationen zu beruflicher Segregation und Genderkultur verknüpft. Die drei Teilprojekte zielen in Kombination auf ein besseres Verständnis elterlicher Gendersozialisation in Wechselwirkung mit Geschlechtshormonen sowie sozialen Umweltfaktoren ab.
Schlagworte dt: Gender; Sozialisation; intergenerationale Transmission; Geschlechterideologien; berufliche Aspirationen; Geschlechtshormone; Familienform; Migrationshintergrund; ethnische Ungleichheit