Hohle Fels
Der Hohle Fels im Achtal bei Schelklingen ist ein Schwammstotzen des Weißen Jura und liegt ca. 7 m über der heutigen Talaue der Ach. Durch seine Schichtenfolge, die das Mittelpaläolithikum und das Jungpaläolithikum umfasst, ist er für die Urgeschichtsforschung von besonderer Bedeutung. Erste Untersuchungen der Höhle fanden bereits im 19. Jahrhundert statt. Seit 1977 graben Mitarbeiter des Institutes für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Eberhard-Karls-Universität Tübingen in magdalénien- bis mittelpaläolithischen Horizonten.
Neben dem Subsistenz- und Siedlungsverhalten während des Mittel- und Jungpaläolithikums sowie der Umweltrekonstruktion ist vor allem der zwischen den verschiedenen altsteinzeitlichen Kulturen und die Besiedlungsdauer- und Dichte im Fokus der Untersuchungen.
Aktuell stehen die Ausgrabungen auch im Fokus des GACT Projekts
Mittelpaläolithikum
Steinartefakte des Mittelpaläolithikums
Die mittelpaläolithischen Schichten wurden aus grabungstechnischen Gründen bisher nur in einer kleinen Fläche untersucht. Unter den Funden aus den Schichten dieser Zeit sind mittlerweile zahnreiche Steinwerkzeuge, meist aus lokalem Jurahornstein hergestellt, unter denen sich kleine Levalloiskerne und Schaber finden. Knochen von Höhlenbären und Steinböcken und auch von Vögeln weisen Schnittspuren auf. Auch Pferd, Rothirsch und Rentier gehörte zur Jagdbeute. Seltener als im Jungpaläolithikum kommt jedoch der Höhlenbär vor. Eine Besonderheit der Neandertaler Kultur ist das Fehlen bislang von figürlicher Kunst, und Musikinstrumenten sowie die Seltenheit von Werkzeugen aus organischem Material. Dieses Phänomen ist auch von anderen Fundplätzen in der Region bekannt.
Aurignacien
Artefakte des Aurignaciens
Im Aurignacien zielen die Steinbearbeitungstechnologien im Unterschied zu den Methoden der Neandertaler auf die Gewinnung von Klingen und Lamellen ab. Werkzeugformen wie Spitzklingen, Kiel- und Nasenkratzer sowie Kiel- und Bogenstichel treten auf. Zwar ist das vorherrschende Steinrohmaterial nach wie vor lokaler Jurahornstein, doch nimmt der Anteil ortsfremden Materials zu. Im Gegensatz zum Mittelpaläolithikum gibt es nun eine große Bandbreite an Werkzeugen aus organischen Materialien, also Knochen, Geweih und Elfenbein. Typisch sind Geschossspitzen mit gespaltener und einfacher Basis, Pfrieme und Glätter sowie deren Herstellungsabfälle. Besonderheiten wie Lochstäbe aus Mammutelfenbein stammen aus dem Hohle Fels. Als Jagdwild wurde Mammut, Pferd, Rentier und Steinbock bevorzugt, aber auch Knochen vom Höhlenbären, Löwe und Wolf weisen Schnittspuren auf. Vor allem das plötzliche Auftreten von Kunst und Symbolik in Form von figürlichen Darstellungen, Flöten sowie Schmuck in großer Variationsbreite zeigt einen deutlichen kulturellen Unterschied zum Mittelpaläolithikum. Die zahlreichen persönlichen Schmuckstücke aus Mammutelfenbein sind besonders hervorzuheben.
Die bisher ältesten Belege figürlicher Kunst und Musik weltweit stammen aus der archäologischen Schicht Vb des Hohle Fels. Hier wurden 2008 sechs Fragmente einer Frauendarstellung ohne Kopf aus Mammutelfenbein ausgegraben. Die als „Venus vom Hohle Fels“ bezeichnete Frauenfigur ist 5,97 cm lang. Nur 70 cm davon entfernt wurden 12 Fragmente einer Flöte gefunden, die aus der Speiche eines Gänsegeiers hergestellt worden war. Mit intaktem Mundstück, fünf Grifflöchern und einer Gesamtlänge von 21,8 cm, ist die Flöte die bislang am besten erhaltene aus der Zeit des Aurignaciens. Drei weitere Elfenbein-Figurinen stammen aus dem Aurignacien des Hohle Fels. Dabei handelt es sich um eine Bärendarstellung, einen kleinen ‚Löwenmenschen’ und einen Wasservogel.
Gravettien
Funde des Gravettien
Neben der menschlichen Besiedlung wurde die Höhle zu jeder Zeit auch von Höhlenbären als Schlafplatz für die Winterruhe genutzt. Als Beleg für eine erfolgreiche Jagd auf Höhlenbären, wurde aus dem Gravettien ein Brustwirbel eines Höhlenbären mit dort verbliebenem Steinprojektil gefunden, bisher, neben Schnittspuren, der einzige Nachweis für Höhlenbärenjagd überhaupt. Im Prozessus transversus eines Brustwirbels steckt noch die abgebrochene Silex Spitze der Bewehrung eines Speeres oder einer Lanze und auf dem Dornfortsatz befinden sich zwei parallele Schnittspuren, die zeigen, dass die Jagd erfolgreich war. Im Gravettien wurde als Rohmaterial für die Steinwerkzeugherstellung vermehrt roter und grüner Radiolarit verwendet, jedoch überwiegt weiterhin lokaler Jurahornstein. Unter den Werkzeugen sind vor allem Kratzer und Stichel zu finden. Aus den massiven, gespaltenen Rippen von Mammuts wurden Speerspitzen, Pfriemen und Glätter gefertigt und Lochstäbe aus Rentiergeweih kommen vor. Bemerkenswert ist eine Phallusdarstellung aus Siltstein, die als Werkzeug zum Retuschieren von Steinwerkzeugen genutzt wurde. Als Schmuck kommen besonders häufig tropfenförmige Anhänger aus Elfenbein vor, aber auch durchlochte Tierzähne und vereinzelt fossile Schnecken.
Magdalénien
Funde des Magdalénien
Die Anteile der verschiedenen Rohmaterialien verändern sich im Magdalénien signifikant. Neben dem lokalen Jurahornstein und rotem wie grünem Radiolarit kommen auch Kieseltuff vom Randecker Maar und Muschelkalkhornstein, aber auch Plattenhornstein aus dem fränkischen Jura vor. Vereinzelte Artefakte aus Blutjaspis weisen in das Gebiet am Oberrhein. Das Werkzeuginventar beinhaltet, neben zahlreichen Rückenmessern auch Rückenspitzen, unter anderem Kratzer, Stichel und viele Bohrer. Unter den Artefakten aus organischem Rohmaterial finden sich Spitzen sowie Harpunen und aus Knochen wurden Nähnadeln und Pfrieme gefertigt. In der Schmuckherstellung fanden besonders Gagat, Mollusken und Rentierschneidezähne Verwendung. Darüber hinaus konnten mehrere bemalte Steine geborgen werden. Vier davon wurden mit doppelreihigen Punktmustern versehen.
Laufende Arbeiten
Im Hohle Fels wird aktuell im Eingangs-/Tunnelbereich ausgegraben. Hier arbeitet seit Jahrzehnten eine internationale Grabungsmannschaft. Die Ausgrabungen finden mit etwa 20 Personen in jedem Jahr in den Sommermonaten statt und werden von der Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Eberhard Karls Universität Tübingen organisiert und koordiniert. Die Grabungsleitung liegt seit 1997 bei Nicholas Conard. Seit 2023 gibt es ein Leitungsteam aus Nicholas Conard, Christopher Miller, Cosimo Posth und Sibylle Wolf. Jährlich finden in den Sommermonaten Juni bis August sechs- bis achtwöchige Ausgrabungen im Hohle Fels statt, an denen internationale Fachstudenten teilnehmen. Bei Interesse an einer Teilnahme bitte Alexander Janas M.A. kontaktieren.
Großsäuger: PD Dr. Britt Starkovich, Dr. Susanne Münzel
Fische und Amphibien: Angel Blanoc-Lapaz M.A.
Lithische Artefakte: Prof. Nicholas Conard Ph.D., Dr. Guido Bataille, Martyna Lech M.A.
Organische Artefakte: Dr. Sibylle Wolf
Geoarchäologie: Prof. Christopher E. Miller
Botanik: PD Dr. Simone Riehl, Dr. Katleen Deckers
Ancient DNA: Junior Prof. Dr. Cosimo Posth
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